Sightseeing in Tabriz

Unseren zweiten Tag in Tabriz verbringen wir mit Sightseeing und auf dem Basar, der aufgrund des wunderschönen, alten Gebäudekomplex in dem er untergebracht ist, zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Wie vermutlich jeder andere Basar ist auch dieser hier in Tabriz in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt: Schuhe, Obst, Gemüse, Schmuck und natürlich Teppiche. Allerdings drängen sich die Händler hier nicht auf, rennen dir nicht hinterher oder wollen dich in ihren Laden zerren. Wir schlendern gemütlich von Stand zu Stand, entdecken frische Jasminblüten für Tee, natürlich allerhand Gewürze, sehr viel Reis und kuriose, hauchdünne Platten aus Fruchtkonzentrat. Und auch ganze Ziegen- und Kuhbeine.

Ein junger Iraner spricht uns an und fragt uns, ob er uns ein bisschen herumführen darf. Meistens verlangen die Einheimischen dafür Geld, bzw. sagen hinterher, du darfst ihnen geben was du für richtig hältst. Ein netter Trick um mehr Bezahlung zu erhalten, denn das was wir Europäer für angemessen halten, ist ein Vielfaches mehr, als was sie verlangen würden. Wir willigen ein, weil wir unbedingt in die Jame-Moschee im Basar-Komplex möchten und der Zutritt in Begleitung eines Iraners viel leichter ist. Außerdem kennt er sich tatsächlich gut aus, kann uns viel über die Geschichte des Islams und der Moscheen von Tabriz erzählen. Wir laufen durch die Moschee und anschließend über den Basar, nach einer knappen Stunde bedanken wir uns bei ihm, geben ihm 5 Dollar und ziehen alleine weiter.

Als nächstes sehen wir uns die Blaue Moschee, das Rathaus und den Iwan der ehemaligen Ali Shah Moschee an, den wir bereits nachts so schön beleuchtet gesehen hatten. Vor allem die Blaue Moschee von 1465 ist beeindruckend. Von außen wirkt sie fast langweilig, aber innen fasziniert sie umso mehr. Die Innenräume sind über und über mit Mosaiken verziert, die Blumen, Sternenbilder, Wolken und Schriftzeichen darstellen. Für die Blautöne hat man Kobalt oder sogar Lapislazuli und für die Gelbtöne Blattgold verwendet. Viele der Mosaike sind noch sehr gut erhalten und man kann sich gut vorstellen, welcher Aufwand dahinter gesteckt haben muss.

Zurück im Hotel rufen wir Ali an, den wir an der Grenze kennen gelernt hatten. Mit ihm wollen wir uns heute noch treffen, aber zuerst schickt er uns Amin, einen seiner Deutschschüler, der mit uns zum Geldwechseln geht. Wir hatten in der Türkei ein paar Euro gewechselt und wie sich jetzt herausstellt zu einem unfassbar schlechten Kurs: Nämlich dem offiziellen Wechselkurs der Banken. Für 1€ haben wir 50.000 Rial erhalten, bei der Wechselstube in der Nähe des Basars sind es ganze 90.000 Rial. Ich tausche 200€ und bin jetzt Multimillionär.

Wir gehen mit Amin ins Cafe Nuts, einen süßen, kleinen Laden im Nordosten von Tabriz, den ein Armenier führt. Er braucht zwar ziemlich lange, bis er drei Kaffee zubereitet hat, aber es lohnt sich zu warten. Es gibt einen richtigen Cappuccino, die Bohnen werden frisch gemahlen und man bekommt eine Praline mit 76% Kakaoanteil. Inzwischen sind Ali und ein weiterer Freund von Amin gekommen und wir unterhalten uns prächtig, lachen viel und es fühlt sich an, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Nebenbei läuft Fußball. Deutschland verliert und fliegt aus der WM.

Die Entdeckung in Tabriz: ein iranischer Biergarten

Beim Frühstück beschließen wir, noch eine Nacht in Tabriz zu bleiben und den heutigen Tag für einen Ausflug nach Kandovan zu nutzen. Das über 800 Jahre alte Felsendorf liegt keine 60 km von Tabriz entfernt, auf gut 2.000 Höhenmetern. Kurz vor dem Dorf müssen wir Eintritt bezahlen: 40.000 Rial (80 Cent für uns beide)

Angeblich leben noch ca. 1.000 Menschen in den Höhlen, unterhalb der Felsen wurden aber auch einige neue, kleine Häuser gebaut. Es ist kaum etwas los im Dorf, nur ein paar Touristen schlendern umher. Wir haben unsere Helme und Jacken am Motorrad befestigt und sehen uns die Höhlenwohnungen an. Vor den Eingängen sitzen Frauen, sie verkaufen gestrickte und gewebte Kleidung, Taschen und getrocknetes Obst.

In manchen Höhlenwohnungen wurden ganz neue, helle Holztüren verbaut, oder auch gern mal ein kleines, weißes Kunststofffenster. Die interessante Mischung aus Alt und Neu lässt mich schmunzeln. Aber warum sollte man auf die Errungenschaften der Moderne verzichten, nur weil man in einer Höhle wohnt?

Auf dem Rückweg zum Hotel verfahren wir uns (mal wieder). Ich bin immer noch nicht ganz fit, hatte morgens kaum etwas gegessen um meinen Magen zu schonen, und die Hitze setzt mir zu. Nachdem wir das zweite Mal im Kreis gefahren sind, reicht es mir. Ich kann und mag nicht mehr. Ich habe Durst und mir ist schwindlig. Entkräftet stelle ich das Motorrad hinter ein parkendes Auto und setze mich unter einen Baum, japse nach Luft. Sofort kommen zwei Männer angelaufen, einer mit Wasser, der andere drückt mir eine Art Apfelschorle in die Hand. Oh je denke ich mir. Apfelschorle. Öl ins Feuer gießen. Egal, Hauptsache der Schwindel geht weg und ich komme wieder zu Kräften.

Während ich mich von ihnen aufpeppeln lasse, unterhält sich Roland mit ein paar anderen Männern. Sie erklären ihm den Weg zum Hotel. Dort angekommen, gehe ich sofort kalt duschen und lege mich kurz hin. Bevor wir uns wieder dem Navigationsthema widmen. Wir haben es immer noch nicht geschafft, das Navi zum Laufen zu bringen. Tobi und Stefan supporten aus der Ferne, was bin ich froh, dass es im Hotel ein stabiles Wifi gibt. Nach 2 Stunden zumindest ein Teilerfolg, es gibt mittlerweile einige Straßen mehr auf dem Navi, wenn auch nicht alle.

Gegen 21 Uhr gehen wir nochmal raus und spazieren durch Tabriz. In einem Hinterhof entdecke ich ein Cafe, versteckt hinter einem großen Feigenbaum und ein paar Sträuchern. Wir gehen durch das Grün und stehen auf Kies in einem iranischen Biergarten. In der Mitte ist ein kleiner Teich mit Fischen und einem winzigen Springbrunnen, drumherum sind Tische aufgestellt. An den Wänden schwarze Malereien. Wir bestellen Getränke und ich Spaghetti (Spaß muss ein) und Roland Kufteh Tabrisi, iranische Fleischpflanzerl. Beides schmeckt ausgezeichnet. Umgerechnet zahlen wir für alles 8€

Der Garten gehört zu einem Haus, in dem Gemälde und Kunstwerke ausgestellt sind. Der Künstler selbst sitzt neben seiner Staffelei in der Ecke der Terrasse. Er hat mittellanges, schwarz-grau gesträhntes Haar, zieht an seiner Zigarette und begrüßt uns in „seinem Cafe und seinem Haus“. Wir dürfen uns gern seine Gemälde ansehen, was wir auch tun. Ich bin ganz hin und weg von der Atmosphäre hier, der Kunst und dem guten Essen, dem gemütlichen Garten mitten im trubeligen Tabriz. Für alle die Instagram haben, hier der Kontakt: pelake7

Auf dem Heimweg zum Hotel kaufen wir noch Getränke ein. Supermärkte gibt es hier nicht, aber man bekommt in jedem kleinen Imbiss alles was man braucht, von Getränken über Butter bis Thunfisch aus Dosen.

1 Uhr nachts, Update zur Navigationsproblematik: Es funktioniert! Wir hatten die Datei nicht richtig entzipt. Trotzdem bleiben wir noch einen Tag hier, Tabriz gefällt uns einfach zu gut.

 

 

 

 

 

Der erste Tag im Iran

Die Nacht war leider etwas unruhig, da ich Bauchkrämpfe und „noch was anderes“ bekommen habe. Heute Morgen ist es noch nicht wirklich besser, wir packen trotzdem zusammen, frühstücken und machen uns auf den Weg Richtung Iran. Wir hatten den Tipp bekommen, den Grenzübergang in Kapiköy zu nehmen, er ist keine 100 km von Van entfernt und die Abwicklung soll dort recht einfach sein.

Der Grenzübergang wird gerade umgebaut und so verpassen wir zuerst den schmalen Kiesweg, der von der Schnellstraße abgeht und zum Grenzübergang führt, und stehen vor einem großen leeren Gebäude. Zwei Teenager weisen uns den Weg und wir können es zuerst gar nicht glauben, dass das der Weg zur offiziellen Grenze sein soll. Rechts und links stehen Autos, Menschen räumen vollgestopfte Plastiktüten in Kofferräume oder packen Taschen und Koffer aus und verteilen den Inhalt auf dem Boden. Am Ende des Kieswegs stehen mehrere Blechbaracken, über ihnen weht die türkische und iranische Fahne.

Wir fahren in einen Innenhof, mein Blick fällt auf ein Schild über einem Fenster, hier steht auf Farsi und der englischen Übersetzung: „Vehicle Registration“. Hallelujah denke ich mir, das kann ja heiter werden. Wir stellen unsere Bikes ab und gerade als ich den Helm abnehme, kommt ein junger Polizist vorbei. Er trägt eine Pilotensonnenbrille, ein dunkelblaues Polohemd mit der Aufschrift Polis, eine dunkelblaue Hose und schwarze Stiefel. Seine Waffe steckt locker hinten in der Hose. Ich spreche ihn an und sage ihm, dass wir in den Iran wollen. Er fragt nach unseren Pässen und dem Carnet und geht mit Roland los. Von einem Schalter zum nächsten. Dann lässt er Roland mit dem Carnet an einem Schalter stehen und trägt unsere Pässe wieder hin und her. Dann will er meinen Personalausweis sehen – ich schätze, weil wir mit Personalausweis in die Türkei eingereist sind und nicht mit Reisepass.

Roland und ich hatten gewettet, wie lange die ganze Prozedur dauern wird. Ich habe eine Stunde geschätzt, Roland zwei. Inzwischen steht er seit 20 Minuten in der Schlange ganz vorne, aber immer wieder drängeln sich dreiste Männer vor ihn. Sie diskutieren laut und wedeln mit ihren Carnets in der Luft. Roland bleibt ruhig, lacht immer wieder zu mir rüber. Ich schaue das Schauspiel aus der Entfernung an und koche innerlich vor Wut. Irgendwann kann ich es mir nicht verkneifen und schnauze in seine Richtung: „Lass dich von denen nicht abdrängeln, setzt dich durch.“ Roland antwortet schmunzelnd: „Wieso, ich hab Zeit, ich will gewinnen.“

Der Polizist hat mir inzwischen alle meine Dokumente wieder gebracht. Wenigstens das hat geklappt. Roland steht immer noch an. Vor mir hält mal wieder ein Kleinbus, Passagiere steigen hektisch aus. „Ja servus, aus Passau!“ sagt auf einmal ein Mann zu mir. „Ich ko a boarisch sprechn, kim aber aus Minga.“ Ich beginne zu lachen, kann den Wahnsinn kaum glauben. Der Mann stellt sich vor, er heißt Ali, lebt in Freising und arbeitet gerade am Goethe Institut in Tabriz als Deutschlehrer.
Er diktiert mir schnell seine Handynummer und sagt, wir sollen uns melden, wenn wir Hilfe brauchen. In Tabriz oder egal wo. Roland hat alles erledigt, aber nur auf türkischer Seite. Jetzt fahren wir ein paar Meter weiter durch das rechte von zwei Metalltoren. In München würde man in einem Shabby Chic Store in Haidhausen ein Vermögen für solche Metalltore bezahlen. Hier ist das wohl echter Verschleiß.

Die iranische Grenze. Sofort stürzen fünf Soldaten auf uns zu: „Where are you from. Ah nice Motorcycle.“ Sie klopfen Roland auf die Schulter bevor er überhaupt irgendwas sagen konnte. Dann möchte einer von ihnen unsere Namen wissen. Er schreibt Pamela auf, das klappt noch ganz gut, bei Beckmann macht er eine „egal“ Handbewegung und weist uns an, unsere Motorräder abzustellen.

Roland geht mit unseren Carnet und den Pässen in ein Häuschen rein, ich soll bei den Bikes bleiben. Sofort kommen Kinder zu mir, reden auf mich ein, fassen mein Motorrad an, wollen wissen wo das „Benzin“ reinkommt, und soweit ich das verstehe, wie schnell das Motorrad fährt. Dann kommt ein Mann, mit einem Bündel Rial in der Hand zu mir, und deutet mit an, Geld zu tauschen. Ich sag sofort nein und drehe mich weg. Hin zu den penetranten Kindern. Wir tauschen unsere Namen aus und ich erkläre ihnen den Unterschied zwischen „his name“ und „her name“. Sie verstehen und wiederholen artig. 5 Minuten Schulbildung am Grenzübergang.

Es sind ungefähr 15 Minuten vergangen, als ein Mann den Kopf zu mir raus streckt und möchte, dass ich in das Häuschen hineingehe. Ha, sicher nicht denke ich mir, und winke freundlich ab. Eine Frau versucht zu übersetzen: „You, Passport.“ Aber ich denke nicht daran, mich von den Bikes wegzubewegen. Unser gesamtes Bargeld steckt in den Seitentaschen. Ich sage ihr, dass mein „husband“ meinen Reisepass hat und lächle.

Kurz darauf kommt Roland wieder raus und meint, ich soll schnell reinschauen. Der Beamte will mich sehen. Also doch. Ich ziehe den Motorrad Schlüssel hab, sag kurz hallo und dann gehe ich wieder raus zu den Bikes. Das war also die Passkontrolle. Wir dürfen ein Stückchen weiterfahren. Zu dem nächsten Beamten, der die Carnet prüft. Ali ist zum Glück da und hilft uns bei der Kommunikation. Der Beamte checkt die Motornummern, allerdings ist meine so versteckt hinter Krümmern und Sturzbügel, dass er nach kurzer Zeit abwinkt und OK sagt. Wir fahren wieder ein Stückchen weiter zum nächsten Häuschen. Inzwischen kann ich das große Eisentor sehen, das in den Iran führt. Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen.

Roland verschwindet wieder mit einem Beamten und überlässt mich der Meute Kinder und dem Geldwechsler, die nur auf die nächste Gelegenheit warten, mich zu nerven. Ich übe mich in Geduld und Verständnis, rede so gut es geht mit den Kindern und warte. Bis auf einmal zwei Männer nicht weit von mir entfernt anfangen zu streiten, sich anbrüllen und dann auch handgreiflich werden. Sie ziehen und zerren aneinander bis ein Beamter sie trennt, beide anbrüllt und damit offensichtlich beruhigt. Oder einschüchtert. Ich will so schnell wie möglich hier weg.

Endlich kommt Roland raus und sagt, dass alles erledigt ist. Ich atme erleichtert auf, steige auf mein Bike. Doch noch ist das Tor zu. Roland spricht mit dem Beamten, der die beiden streitendenden Männer eben getrennt hat. Und er lässt sich bitten und hat offensichtlich Gefallen daran, seine Macht zu demonstrieren. Erst wendet er sich ein Stück ab, dann geht er langsam Richtung Tor. Holt den Schlüssel aus seiner Hosentasche. Hält kurz an und sieht sich um. Na, sehen auch wirklich alle, dass ich die Macht habe? Er schließt das Tor auf und wir fahren los. Endlich sind wir im Iran.

Und, wie lange hat der Grenzübertritt gedauert? Exakt 1,5 Stunden. Auf die Minute. Wir hatten quasi beide Recht. Wenn Verliebte eine Reise tun…

Bis Tabriz sind es 240 km und leider haben wir immer noch Probleme mit dem Navi. Die geplante Route wird zwar ordentlich angezeigt, aber sonst nichts. Rechts und links um die Routenführung ist alles weiß. Wir schaffen es trotzdem nach Tabriz, haben allerdings in der Stadt Schwierigkeiten, uns zu orientieren und das Hotel zu finden. Zwei Jungs auf einem Moped, ca. 12 oder 13, sprechen uns aufgeregt an, woher wir kommen, und ob sie ein Foto machen können. Bei voller Fahrt! Roland erklärt ihnen, dass wir ein Hotel suchen und so führen sie uns durch den wilden Verkehr zum Hotel. Nachdem wir abgeladen haben, parkt Roland die Bikes in der privaten Garage vom Manager, wir ziehen uns schnell um und suchen uns einen kleinen Imbiss, damit wir gleich wieder im Hotel sind, und das Spiel sehen können.

Man hat uns gesagt, dass es im Iran kein Public Viewing gibt, aber in dem Laden steht ein kleiner Röhrenfernseher und so sitzen wir bald mit drei Brüdern und einem Teenager-Sohn Ali zusammen und schauen das Spiel an. Ali spricht etwas Englisch und wir unterhalten uns natürlich vor allem über Fußball. Sie kennen Klinsmann und Matthäus. Na dann wissen sie ja so gut wie alles über den deutschen Fußball. Beim Elfmeter für Iran stehen alle zusammen und schauen gebannt in den Fernseher. Was für ein Jubel, als Iran den Elfmeter versenkt, auch wenn es trotzdem nicht reicht, um weiterzukommen.

Als wir gehen, möchten sie kein Geld von uns. Wir spielen das Nein-Doch Spiel bestimmt sechs- oder siebenmal, aber sie bleiben dabei: Wir sind heute ihre Gäste und müssen nicht bezahlen. Die Gastfreundschaft, die wir bereits aus der Türkei kennen, geht im Iran weiter.

Persisch lernen leicht gemacht.

Es dauert keine Stunde, bis wir die Zahlen 0 bis 9 lesen können: Dank der Verkehrsschilder und Auto-Kennzeichen, die nicht nur auf Persisch sondern auch Arabisch dargestellt sind.