Von der Adria zur Côte d’Azur ist’s nur ein Katzensprung

Buongiorno Italia! Wir erreichen Ancona bei Sonnenaufgang und begeben uns relativ schnell auf die Autobahn. Knapp 800 km sind es bis nach Saint Raphael und wir wollen keine Zeit verlieren. Nach einer knappen Stunde der erste Halt an der Autobahnraststätte für einen Cappuccino und Brioche.

Bis Bologna schaffen wir es, auf der Autobahn zu bleiben, dann wird uns das zu doof und langweilig und Roland sucht uns eine Route quer durch die Apenninen und der Fahrspaß geht wieder los. Kurven führen uns bergauf und bergab, durch eine wunderbare Landschaft und kleine italienische Dörfer. Unser 28.000 km Foto steht bald an und Roland meint, dass wir dafür noch nie an einem Restaurant halten „mussten“. Gesagt getan, die Kilometeranzeige springt genau vor der „Bar al Bobo“ auf 28.000. Ich schwöre Stein und Bein, das ist nicht inszeniert. Wir erklären dem jungen Mann hinter der Bar ganz kurz, warum er uns unbedingt vor unseren Bikes vor seiner Bar fotografieren muss und feiern den Moment mit einem Cappuccino und einer Pizzetta. Gut die Hälfte der Strecke haben wir bereits geschafft. Bis Genua läuft auch alles prima. Leider sind aufgrund des Brückeneinsturzes vor ein paar Wochen, einige Autobahnausfahrten gesperrt und unser Navi findet sich nicht mehr zurecht. Eine dreiviertel Stunde verplempern wir in diesem Verkehrschaos.

Kurz vor Frankreich fahren wir wieder auf die Autobahn. Obwohl es bereits Abend wird, wollen wir einen kleinen Umweg durch Monaco machen. Roland möchte mir die MotoGP Strecke zeigen. Blöde Idee und uns passiert das gleiche wie in Genua – wir verstricken uns im Straßengewirr und stehen lange im Stau. Gerade als wir endlich wieder auf die Autobahn auffahren wollen, merkt Roland, dass er schon länger auf Reserve ist. Also müssen wir wieder umdrehen und eine Tankstelle suchen.  Das kostet uns ebenfalls Zeit und mittlerweile ist es nach 20 Uhr. Die restlichen Kilometer auf der Autobahn sind kalt, es hat 15°C und ich will einfach nur ankommen. Es war ein langer Tag. Seit 7 Uhr sitze ich auf dem Motorrad.

Bis wir in Saint Raphael sind, ist es nach 22 Uhr. Ich hatte Barbara unseren Live-Standort geschickt und sie fängt uns am  Kreisverkehr ab und weist uns den Weg zum Campingplatz. Als wir dort einbiegen werden wir von der coolsten aller Truppen lautstark mit Applaus und einer Sprudelwasser-Dusche in Empfang genommen. Barbara und ich verdrücken ein Tränchen als wir uns umarmen. Was für ein schönes Gefühl, wieder ein Stück Heimat in den Armen zu halten.

Das Restaurant vom Campingplatz hat auf uns gewartet und die Küche noch nicht geschlossen. Wir dürfen eine Pizza bestellen, die ich aber vor Aufregung oder Erschöpfung nur zur Hälfte schaffe. Leider fehlt einer unserer Freunde. Ralph hatte gestern einen Unfall mit seinem Sprint Beemer und liegt im Krankenhaus in Saint Raphael. Morgen wollen wir ihn besuchen.

Wetterkapriolen in Montenegro

Der Campingplatz war die richtige Wahl – es sind keine zwei Minuten zu Fuß zum Meer. Bevor wir in dem Restaurant am Strand frühstücken, gehen wir eine Runde schwimmen. Das Meerwasser ist hier viel salziger als in der Türkei, finde ich. Wettertechnisch sieht es heute leider nicht so rosig aus. Es ist bedeckt, kühl und windig. Unser Plan war es, in den Durmitor Nationalpark zu fahren – für heute und morgen sagt die Wetter-App allerdings Schnee voraus, bei Temperaturen knapp unter dem Gefrierpunkt. Ich hab grundsätzlich nichts dagegen, bei Regen und Schnee zu fahren, außer es lässt sich vermeiden. Und das versuchen wir heute. Wir entscheiden uns Schweren Herzens gegen den Durmitor Nationalpark und machen uns nach Mittag auf Richtung Kotor. Östlich von Kotor liegt der Lovcen-Nationalpark den wir zuerst durchqueren und dann die berühmten 25 Haarnadelkurven runter in die Bucht von Kotor nehmen möchten.

Noch nicht ganz oben im Park angekommen, fängt es fürchterlich an zu regnen und nach kürzester Zeit bin ich klitschnass. Meine Regenklamotten wandern daheim in München direkt in die Tonne! Als wir uns dann auch noch verfahren und ich auf einem Offroad-Track mehrmals wenden muss, ist meine Geduld zu Ende. Ich will nicht mehr, habe keine Lust mehr weiter im Regen auf unwegsamen Gelände zu fahren – noch dazu da wir nichtmal wissen, ob wir richtig sind. Nach langem Hin und Her überzeuge ich Roland auf der Straße Richtung Kotor zu fahren. Beim letzten Wendemanöver lege ich zu allem Übel Zicki auch noch ab, es musste ja so kommen. Jetzt bloß nicht total ausrasten! Sei froh, dass du nicht gerade im Durmitor Nationalpark bist.

Kaum zurück auf Asphalt, hört es auf zu regnen. Der Himmel klart vereinzelt auf, die Sonne bahnt sich ihren Weg durch die dunklen Regenwolken, die dadurch noch dramatischer aussehen. Von der Panoramastraße aus hat man einen fantastischen Blick auf die Bucht von Kotor. Es ist später Nachmittag und in der Stadt gehen die Lichter an. Ein wundervolles Stimmungsbild, wäre da nicht dieser eklige Wind, der mich fast vom Motorrad fegt. In den Haarnadelkurven muss ich den Lenker kräftig festhalten und mich ordentlich in die Kurve legen, damit ich nicht von meiner Fahrbahn abkomme.

Auch in Kotor weht es ganz ordentlich, auf der Fahrbahn liegen immer wieder lange Palmzweige, viele Fensterläden an den Häusern sind verschlossen und Tische und Stühle auf den Restaurant-Terrassen liegen kreuz und quer verteilt. Im Hostel 4You ist genau noch ein Zimmer frei und wir können unsere Bikes im Hinterhof einigermaßen geschützt parken. Nach einem kurzen Spaziergang durch Kotor essen wir im Restaurant gegenüber vom Hostel zu Abend und telefonieren spontan mit unseren Freunden, die momentan an der Côte d’Azur urlauben. Bei über 30°C und strahlendem Sonnenschein machen sie den lieben langen Tag nichts anderes als am Strand zu liegen, Motorrad zu fahren und abends im Whirpool zu relaxen. Ok, und sie bereiten sich auf ein wichtiges Ereignis vor: In vier Tagen nehmen zwei unserer engsten Freunde, Jo und Ralph, mit ihren alten, umgebauten Sprint-Beemern am letzten Sultans of Sprint Race teil. Tatsächlich wären wir da gern dabei und während Roland und ich unsere Pizza essen, überlegen wir, ob wir statt durch den Balkan bei schlechtem Wetter nach Hause zu fahren, rüber nach Frankreich queren.

Zurück im Hostel setzen wir uns mit einer Flasche Rotwein und dem georgischen Chacha in die Küche und suchen nach Fährverbindungen. Kurz nach Mitternacht werden wir fündig: Es gibt eine Verbindung morgen Abend von Split nach Ancona. Inklusive Innenkabine kostet uns die Überfahrt 100€/Person. Zack, gebucht!

Mit der Fähre durch albanische Fjorde

Wir sitzen um 9 Uhr auf den Bikes. Heute ist unser letzter Tag in Albanien, leider. Ich hab mich schon ein bisschen verliebt in dieses Land. Die kurvigen Straßen, die Abgeschiedenheit in den Bergen, die wundervolle Natur, das gute Essen… Hach… Um uns den Abschied so richtig schwer zu machen, zeigt sich Albanien auf den letzten Kilometern von seiner allerschönsten Seite. Die SH23 von Kükes nach Fierza ist eine kleine, asphaltierte Bergstraße ohne großen Anstieg, dafür mit vielen Kurven und atemberaubender Fernsicht auf die umliegenden Berge.

Wir erreichen Fierza überpünktlich und kaufen uns ein Ticket für die Rozafan-Fähre, die uns von Fierza nach Koman bringen wird. Roland hatte im Internet gelesen, dass man auf keinen Fall das Ticket außerhalb der Fähre kaufen soll. Diese Info ist veraltet, der Mann in Sicherheitsweste kurz vor der Fähr-Anlegestelle ist ein echter Ticket-Verkäufer. Mittlerweile gibt es zwei Anbieter, die Rozafan-Fähre ist die kleine kleine von beiden und braucht 30-40 Minuten länger als der andere Anbieter. Preislich sind beide gleich. Da wir noch etwas Zeit haben, bevor die Fähre ablegt, fahren wir ein Stück die Panoramastraße durch die Schlucht am Stausee entlang. Was wäre das doch für eine tolle Strecke gewesen. Unzählige Kurven mit Blick auf das Wasser und die tiefe Schlucht- ganz kurz bereue ich es, dass wir uns für die Fähre entschieden haben.

Die Fähre legt pünktlich um 12:30 Uhr ab. Wir haben einen Platz oben auf dem Sonnendeck in der 1. Reihe ergattert und so haben wir den schönsten Blick auf die Fjorde. Der Koman-Stausee ist fast 100m tief, entsprechend hoch sind die Berge entlang des Sees. Vereinzelt sehen wir kleine Dörfer an den Berghängen aber keine Straße. Diese Dörfer werden tatsächlich auf dem Wasserweg mit Lebensmitteln und anderen Dingen versorgt. So kann man anscheinend auch ganz gut überleben denke ich mir. Bis eben hielt in den Penny direkt bei mir im Haus für unverzichtbar.

Ich habe meine Motorradklamotten ausgezogen und genieße die Sonne auf meiner Haut. Es weht ein angenehmer Wind, so dass es nicht zu heiß ist und wir die 2,5 Stunden an Deck gut aushalten. Mit 15 Minuten Verspätung erreichen wir Koman. Bis wir von der Fähre sind, ist es fast 16 Uhr und es sind mindestens 4 Stunden bis Kotor, unserem heutigen Ziel. Was wir nicht wussten: Die Straße ab Koman ist eine Frechheit, eine Beleidigung für Fahrzeuge aller Art. Durchzogen von tiefen Schlaglöchern und bergeweise Schotter in den Kurven. Ich muss vorsichtig fahren – Stürze im Gelände bei geringer Geschwindigkeit machen mir nichts aus, aber auf einen Rutscher über Asphalt habe ich keine Lust. Wir kommen also langsamer voran, als gedacht. Irgendwann wird die Straße zum Glück besser und ich kann die Fahrt ein bisschen mehr genießen.

An der Grenze zu Montenegro treffen wir lustigerweise den Tourguide Armand wieder – er steht mit seinem Anhänger voller Mountainbikes in der langen Schlange vor der Passkontrolle an. Ich quatsche kurz mit ihm und bedanke mich für die tollen Routentipps. Die letzten drei Fahrtage verdanken wir ihm und wenn ich mal wieder in Albanien bin, würde ich alles wieder genauso fahren. Glücklicherweise müssen wir uns als Motorradfahrer nicht in die Schlange stellen, ein Autofahrer weist uns netterweise daraufhin, dass wir einfach den Fußgängerweg nehmen dürfen und so sind wir in 5 Minuten durch die Kontrolle. Auf der anderen Seite das gleiche Bild: Eine mindestens 1km lange Autoschlange wartet auf die Einreise nach Albanien. Ca. 50 km von Kotor entfernt, in Buljarica, entdecken wir den Campingplatz Maslina. Eine Nacht für zwei Bikes und ein Zelt kostet 14€. Da kann man echt nicht meckern und da es bereits dunkel ist, beschließen wir, hier zu bleiben. Wir nehmen noch 4 Bier an der Rezeption mit, suchen uns ein schönes Plätzchen und bauen unser Zelt auf. Zum Abendessen gibt es natürlich wieder Pasta Napoli – never change a running system.

Albanien, Mazedonien, Albanien

„Baby, wach auf. Guck mal, hier, guck mal, schnell!“ Im Halbschlaf vernehme ich Rolands Stimme. Ich öffne mit großer Mühe ein Auge und sehe verschlafen zu ihm rüber. Von außen stupst ein Pfötchen gegen die Zeltwand und Roland stupst mit dem Zeigefinger zurück. Das ist der kleine Welpe – ich bin auf der Stelle hellwach, öffne das Zelt und sofort kommt der kleine Wauzi angerannt. Er schlüpft ins Zelt und wirbelt alles ordentlich durcheinander. Er hüpft auf Roland, versucht in den Schlafsack zu kriechen, beißt in Haare und Finger. Wir spielen ein bisschen bis er sich wieder beruhigt hat und in meinem Arm einschläft. Da es noch nicht mal 7 Uhr ist, machen auch Roland und ich die Augen nochmal zu. Ein gutes Stündchen liegen wir so zu Dritt im Zelt und ich überlege ernsthaft, ob ich den kleinen Hund irgendwie auf dem Motorrad nach Hause mitnehmen kann. Bis wir aufstehen und feststellen, dass der kleine Drecksack eine Abspannschnur von unserem sündhaft teuren Zelt durchgebissen hat. Sämtliche Hundemutter-Gefühle sind wie weggeblasen. So nicht, du bleibst hier, in den Bergen auf dieser wundervollen Farm mit den ganzen anderen Tieren. Strafe muss sein.

Unsere heutige Route führt uns in den Nordosten Albaniens und dort über die Grenze nach Mazedonien, das seit der Gründung 1991 einen Namensstreit mit Griechenland führt, da diese den Namen der kleinen Republik nicht akzeptieren wollen. Warum? Es gibt im Norden Griechenlands eine Region, die ebenfalls „Makedonien“ heißt und daher ist der Name „Makedonien“ griechischen Ursprungs. In der Republik Mazedonien leben aber Slawen. Außerdem hatten die Griechen was dagegen, wie die Flagge der neuen Republik aussah, diese wurde daraufhin 1995 geändert und zumindest dieser Streit scheint beigelegt. Der letzte Kompromiss vom Juni diesen Jahres sieht vor, dass Mazedonien ab sofort „Republik Nord-Mazedonien“ heißen soll. Hoffentlich ist das Thema damit erledigt!

Nach ein paar wunderschönen Kilometern durch die albanische Landschaft erreichen wir die kleine, vereinsamte Grenze. Unsere Pässe werden von einem gelangweilten Grenzer kontrolliert, dann dürfen wir weiter. In der „Republik Nord-Mazedonien“ ist der Herbst angekommen. Aber nicht dieser graue Schmuddelherbst, wie man ihn aus Deutschland kennt. Die Sonne lässt das bunte Herbstlaub kräftig leuchten, dazu das tiefblaue Wasser des Prespasee und Ohridsee. Es ist wundervolles Farbspektakel und wir halten oft an, um das Panorama zu genießen. Die Verbindungsstraße zwischen den beiden Seen führt über das 2.255m hohe Galicica-Gebirge, das zu einem Nationalpark (Durchfahrt kostet 5€ für zwei Bikes) gehört. Zuerst geht’s bergauf und dann in ein vielen Haarnadelkurven wieder bergab.

Zurück in Albanien fahren wir relativ schnell wieder von der Hauptstraße ab und überqueren nochmal ein paar kleinere Pässe mit ein paar Spitzkehren und kaum Verkehr, bevor wir uns in Kükes eine Unterkunft suchen. In Kükes ist nichts los, es ist ein wirklich trostloses Städtchen mit meiner Meinung nach viel zu vielen Sportwetten-Spelunken. Deswegen essen wir im Hotel und planen danach den morgigen Tag: Wir möchten um 12 Uhr die Fähre auf dem Koman-Stausee erwischen, d.h. wir müssen früh aufstehen und spätestens um 9 Uhr losfahren.