Werkstätten und Tourguides entlang der Seidenstrasse

Irgendwie hatten wir es versäumt, uns vor der Reise im Detail um Adressen von Werkstätten auf unserer Route zu kümmern. Roland hatte unheimlich viel Werkzeug und natürlich auch ein paar Ersatzteile dabei. Wir dachten, das würde reichen. Hat es auch fast – was aber vor allem daran lag, dass unsere Bikes bis auf ein paar Kleinigkeiten prima durchgehalten haben.

Bei Rolands R nineT lockerten sich ein paar Teile und Schrauben, aber das war im Grunde alles Kosmetik. Bei meiner kleinen GS ging in Georgien die Lichtmaschine kaputt und die Gussfelge hatte ein paar Dellen von den vielen Schlaglöchern auf Usbekistans Straßen abbekommen. Alle Schäden konnten problemlos repariert werden: Roland fand in Osh eine Werkstatt, in der er schweißen konnte, Zickis Lichtmaschine wurde in Georgien neu gewickelt und die Dellen in der Felge wurden in Dushanbe rausgeklopft.

Im Folgenden die Adressen von Werkstätten und einheimischen Motorradfahrern, mit denen wir Kontakt hatten:

Albanien:
Armand Jegeni von Motorcycle Albania
Er organisiert sowohl Motorrad- als auch Mountainbike-Touren in Albanien, Mazedonien und Montenegro und hat uns mit wunderbaren Routen versorgt.

Georgien:
Tbilisi:
Wir hatten über Google zwei Werksätten (PitStop und Bikeland) gefunden und uns aus dem Bauch heraus für Bikeland entschieden. Zickis Lichtmaschine wurde neu gewickelt, Öl und Filter gewechselt und zum Schluss hat sie eine schöne Wäsche bekommen. Bei Rolands R nineT wurde der Reifen gewechselt, den Ölwechsel hat er selbst bei Bikeland im Hof vorgenommen. 

Tadschikistan:
Dushanbe: Aziz vom Bikehouse Dushanbe ist unter den Motorrad-Reisenden bekannt wie ein bunter Hund. In seiner Werkstatt gleich um die Ecke des Greenhouse Hostel repariert er in Windeseile jedes Wehwehchen an Zweirädern aller Marken, selbst zerbeulte Aluguss-Felgen wie von meiner Zicki. Er hat diverse Reifen vorrätig und kann auch sonst gut Ersatzteile bestellen, die meistens aus Moskau geliefert werden. Wenn er keine Bikes repariert, organisiert er und führt auch selbst Touren über den Pamir Highway.

Kirgisistan:
Osh: Erste Anlaufstelle in Osh ist Stas, der mit seiner Frau Anastassia das wundervolle Zhukov Guesthouse betreibt, das seine Oma vor vielen Jahren gegründet hat. Stas fährt natürlich selbst Motorrad und organisiert auch Touren. Er unterstützt bei jeder kleinen und großen Reparatur, kümmert sich um Ersatzreifen und fährt auch mal nachts los, um liegen gebliebene Bikes zu bergen.

 

 

Im Land der Yaks

Wenn man schon ein Yak hat, dann verwertet man auch alles. Es gibt Brei mit Yak Milch, frische Yak Butter und eine Art Käse.

Nach dem Frühstück fahren wir los. Abd sitzt bei Roland mit auf dem Bike, sein Neffe Adil bei Vincent. Rolands Bike ist ein Einsitzer und wir empfehlen Abd, ein Kissen mitzunehmen da er sonst nur auf dem harten Gepäckträger sitzt. Er schnappt sich ein knallrotes Plüschkissen aus unserem Zimmer und hüpft auf die nineT.

Nach 10 Minuten auf der holprigen Asphaltstraße biegen wir rechts ab und fahren durch das kirgisische Outback. Spätestens jetzt wünscht sich Abd bestimmt ein zweites Kissen unter seinem Hintern. Es geht über Wiesen und Felder, wir durchqueren mehrmals einen Fluss, ich kämpfe mich durch Matsch und Sand, dann gehts es auf Schotter steil bergauf und weiter auf einer steinigen Piste an einem Berghang entlang. Ich kann mein Glück kaum glauben. Ich erlebe das echte, wilde Kirgisistan. So etwas findet man nicht im Lonely Planet oder unter #instatravel.

Nach knapp 60 km offroad sind wir endlich am Ziel: Mitten im Nirgendwo stehen zwei Jurten und ein kleines gemauertes Haus und davor ein alter russischer Lkw. Bei den Jurten grasen Yaks, zwei Esel und zwei Pferde. Neben dem Haus ist ein Gehege mit ca. 50 Ziegen und Schafen. Um uns herum diverse 5.000er Gipfel. Was für eine Atmosphäre, was für ein Erlebnis!

Kinder und Erwachsene begrüßen uns schüchtern. Danach werden wir in einer der beiden Jurten verköstigt. Mit Cay, frisch gebackenem Brot, Kaymak und Ayran aus Yak-Milch, Tomaten-Gurken-Salat und einer sagenhaft leckeren Bratkartoffelpfanne mit Paprika und Zwiebeln. Wir sind alle sehr hungrig und hauen ordentlich rein bis alles aufgegessen ist. Die frischen Milchprodukte verfehlen ihre Wirkung nicht – ich muss sofort auf die Toilette, überlege es mit aber schnell anders als ich davor stehe. Gegen die Toilette hier oben ist die im Homestay ein Luxusbad. Schlimmer geht’s nimmer… Ich verschiebe meinen Toilettengang freiwillig und hoffe irgendwo auf dem Rückweg eine Biopause einlegen zu können.

Ich lenke mich mit Tierbabies ab. Die 3 Wochen alten Yaks sind soooo süss und flauschig aber leider auch sehr ängstlich. Sie lassen sich kaum streicheln. Aber warum sollten sie auch…

Abd fängt ein großes Yak ein und ich soll es mit ihm an den Hörnern halten, danach setzt er mich zuerst auf den Esel und dann auf ein Pferd, ich darf die unglaublich schwere Pfanne beim Brot backen halten und zuletzt auch noch eine Ziege melken. Roland und Vincent schauen zu und machen Fotos.

Es wird Zeit zurückzufahren. Wir verabschieden uns von allen und nehmen zuerst den gleichen Weg wie vorhin. Im Matsch liegen Vincent und Adil das erste Mal. Dann im Sand erneut.

In einem ausgetrockneten Flussbett lassen Roland und ich unsere Bikes laufen und irgendwie verpassen wir so die Abbiegung Richtung See. Egal. Ab jetzt geht’s freestyle weiter. Abd orientiert sich am Flusslauf. Wir müssen querfeldein fahren, über tiefe Rinnen und durchs Wasser. Vincent GS hat sich wieder Schlafen gelegt und will nicht mehr anspringen. Wir müssen ein paar Minuten warten und als sie wieder läuft, hilft Roland sie aus dem tiefen Flusskies zu schieben.

Es geht den Berg hinauf, steil und mit tiefem Sand. Roland ist längst oben, Vincent ist umgekippt und dieses Mal helfen ich ihm. Ich schiebe so fest ich kann bis sein Biest wieder festen Untergrund unter den Reifen hat. Die Luft hier oben ist so dünn, ich merke jede kleine Anstrengung sofort und japse wie ein uraltes Yak.

Oben angekommen sehe ich endlich den Karakul See. Das Wasser leuchtet smaragdgrün, dahinter die Bergkette mit den schneebedeckten Gipfeln. Die Kulisse ist mal wieder einmalig. Und noch sind wir nicht am Ziel. Wir fahren weiter immer geradeaus auf den See zu. Auf einer Anhöhe stoppt Roland. Der Kilomterzähler zeigt 14.000km, wir müssen ein Foto machen.

Auf den letzten Metern Asphalt gibt Roland nochmal kurz Gas, der Tacho zeigt 180km/h und Abd grinst über beide Ohren. Es ist das erste Mal, dass er auf einem so großen Bike fährt, meint er. Als wir am Homestay ankommen, sind wir alle geschafft aber auch glücklich über einen gelungenen Ausflug. Abd erzählt seiner Frau, dass ich ein „super biker und sportsman“ bin, was mich natürlich sehr freut. Ich bin schon ein bisschen stolz, dass es mich in Tadjikistan noch nicht ein einziges Mal geschmissen hat.

Es gibt keine Duschen im Homestay aber eine Banja – eine russische Sauna – im Haus gegenüber, die wir nutzen dürfen. Zugegeben, es ist eine sehr einfache Banja, ein gemauerter Raum mit Betonboden, kleinem Fenster und Holzbank. Ein Ofen erhitzt den Raum auf über 60°C. Auf dem Ofen steht eine große Alukanne mit heißem Wasser, daneben die gleiche Kanne mit kaltem Wasser. Unsere Kleidung haben wir im Vorraum abgelegt. In einem Eimer mischen wir die beiden Wasser, bis es die gewünschte Temperatur hat. Dann schütten wir es uns gegenseitig über den Kopf. Das ist viel unterhaltsamer als eine normale Dusche und genau richtig nach einem anstrengenden Offroad-Tag in den tajikischen Bergen.

14.000 km

Das 14.000 km Foto ist ein ganz besonderes für uns. Wir sind mit Abd und Adil auf dem Rückweg von deren Yak Herde. Abd saß bei Roland mit auf der nineT und Adil bei Vincent auf der GS. Gerade als wir eine Anhöhe hoch fahren, zeigt der Kilometerzähler 14.000 und als wir ihnen erklären, warum wir ein Foto machen, sind sie gern mit dabei! So enstand unser absolutes Lieblingsfoto bisher.

4.655m – der Ak Baytal Pass

Heute ist es soweit. Wir werden den höchsten Punkt des Pamir Highway befahren, den Ak Baytal Pass auf 4.655m. Unser heutiges finales Ziel aber ist der Karakul See ca. 60 km nach dem Pass. Dort möchten wir zelten bevor wir übermorgen über die Grenze nach Kirgisistan einreisen.

Beim Aufpacken sieht Roland, dass Zickis Vorderrad-Felge wieder einen Schlag hat. An der gleichen Stelle, die Aziz in Dushanbe repariert hatte. So ein Mist. Ich rede mit Tahir von der Rezeption, der übrigens perfekt deutsch spricht. Er telefoniert mit Aziz und erhält einen Kontakt in Osh. Stas führt „Zukohovs Guesthouse“ und ist Mechaniker. Er kann mir helfen. Wunderbar. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Felgen-Reparatur und Übernachtung.

Nach dem Frühstück fahren wir tanken. Wie so oft gibt es keinen vernünftigen Zapfhahn, der Tankwart füllt aus einem Tankwagen mit einem 4l Kanister angeblich 92er Benzin ab und betankt damit unsere Bikes. Das dauert, denn alle drei Bikes sind komplett leer, Roland und ich füllen zudem unsere Ersatzkanister und Vincent hat einen 30l Adventure Tank. Der Tankwart lächelt und sagt „Fantastic“. Er macht vermutlich gerade seinen Tagesumsatz mit uns.

Anschließend fahren wir zum Basar gegenüber und kaufen Vorräte und Wasser ein. Wir sind keine 200km von Kirgisistan entfernt, daher leben hier in Murghab sehr viele Kirgisien – gut erkennbar an den typischen Hüten genannt Kalpak.

Wir starten los. Roland fährt voraus, ich als zweite und Vincent am Schluss. Wir verlassen Murghab und fahren in die Einsamkeit. Hier ist nichts. Kein Haus, kein Mensch, kein Baum, kein Tier. Nur wir drei und die Berge. Um einen Berg ist ein Zaun, sage ich zu Roland. Komisch. Dann fährt Vincent neben mir und schreit aufgeregt rüber. „Das ist Schieeenaaa.“ und deutet Richtung Zaun. Hä? Wirklich? Ich weiss, dass wir nahe der chinesischen Grenze sind aber SO nah? Ich halte an, möchte ein Foto machen. Vincent hat ebenfalls hinter mir gestoppt und läuft mit seiner Kamera und Selfistick Richtung Grenzzaun.

Roland fragt mich, was los ist. Ich: „Vincent macht ein Foto am Zaun. Oha,  jetzt macht er ein Foto in China. Er ist eben durch ein Loch im Zaun geschlüpft. Vincent ist in China!“

Roland kommt zurück und wir gehen zum Zaun. Vincent hat die größte Freude, ein Selfie nach dem anderen zu knipsen. Wir bleiben lieber auf der tadjikischen Seite. Zu groß ist die Angst, dass gleich chinesische Elitesoldaten aus ihren Erdlöchern springen und uns festnehmen.

Wir fahren weiter und keine 30 Minuten später haben wir den Ak Baytal Pass erreicht. Ich stehe mit Zicki auf 4.655m. Das ging schnell. Das hatte ich mir irgendwie spektakulärer vorgestellt. Mh. Ich hab vergessen, dass Murghab bereits auf 3.600m liegt. Da fehlte natürlich nicht mehr viel bis zum Pass. Nun gut, wenn man die letzten Tage und Höhenmeter zusammen nimmt, haben wir ohnehin eine ordentliche Leistung hingelegt und wir können froh sein, dass keiner von uns beiden Höhenkrank geworden ist.

Es ist kalt hier oben und nach ein paar Fotos fahren wir weiter Richtung Karakul See. Auch dort ist kälter als gedacht, der See liegt auf 4.000m und es hat gerademal 9 Grad. Irgendwie ist mir nicht nach Zelten. Wir besprechen uns kurz mit Vincent und beschließen ein Homestay im Ort Karakul zu suchen. Karakul wirkt trostlos und verlassen auf uns. Am Ortseingang stehen kaputte und herunter gekommene Lehmhäuser. Kein Mensch ist zu sehen. Nicht gerade einladend. Roland sieht ein Schild am Straßenrand „Cheps Homestay“ und wir fahren dorthin. Vor dem Haus stehen zwei Jeeps. Drei deutsche Mädels, die ich kurz im Pamir Hotel gesehen hatte, haben hier ebenfalls eingecheckt zusammen mit ihrem Guide und Fahrer.

Der Besitzer Abd führt das Homestay mit seiner hochschwangeren Frau. Sie bekommt im September das 4. Kind – nach 3 Töchtern wird es jetzt ein Sohn sein.

Wir beziehen das letzte freie Zimmer. Es ist groß und mit schönen, bunten Teppichen ausgelegt. Die Tür- und Fensterrahmen sind blau gestrichen. In einer Nische steht ein gusseiserner Ofen, in einer anderen Nische ein Fernseher, darunter ein Receiver. Aha. Strom haben sie hier also, vermutlich von einem Diesel-Generator wie überall. Unser Zimmer ist das Durchgangszimmer zu den Mädels, was uns aber nicht weiter stört. Uns gefällt das Homestay und wir fühlen uns sofort wohl. Auch wenn es keine Dusche gibt und die Außentoilette eine Herausforderung ist. Wie gut, dass ich jahrelang Pfadfinder war, ich saß schon auf vielen Donnerbalken also werde ich das hier auch überleben.

Nachdem wir ausgepackt haben, gibt es Abendessen. Plov. Reis mit Gemüse und Fleisch. Ich dachte Plov ist das usbekische Nationalgericht. Scheinbar gibt es das auch hier. Es schmeckt gut, auch in meiner vegetarischen Variante. Dazu servieren sie Cay und frisches Brot mit Kaymak: Selbsgemachte Yak-Butter. So lecker.

Nach dem Essen schlägt uns Abd vor, dass wir morgen einen Ausflug zu seiner Yak-Herde machen. Wie wollen eigentlich früh nach Osh fahren, mein Reifen verliert Luft und ich möchte ihn nicht unnötig strapazieren und vielleicht sogar mit einem Platten liegen bleiben. Aber wenn wirklich was passiert, haben wie einen Local dabei, der uns helfen kann. Also sagen wir ja, warum nicht. Osh kann warten.

Abd und seine Frau räumen ab und bereiten unser Nachtlager vor. Sie haben den kleinem Tisch, an dem wir eben gegessen habe, zur Seite gestellt und legen den Boden mit dünnen und bunten Matratzen aus. Seine Frau habe sie genäht meint Abd. Auderdem erhält jeder Bettzeug. Ich lege trotzdem meinen Schlafsack bereit, da mir etwas kalt ist.

Es ist inzwischen nach 22 Uhr, die Generatoren laufen nicht mehr und der kleine hässliche Ort Karakul ist dunkel und still. Jetzt kann der Nachthimmel leuchten. Wir putzen Zähne am Waschbecken vor dem Haus und sehen uns dabei die unzähligen Sterne an. Großer Wagen und Milchstraße sind ganz deutlich zu erkennen und Millionen weiterer Sterne. Es ist unfassbar schön und wieder einmal bin ich sehr dankbar, dass ich so eine tolle Reise machen und so viel Wunderbares erleben kann.