Ganz im Süden, direkt an der chinesischen Grenze liegt der kleine See Chatyr-Kul und in der Nähe auf 3.000m die Karawanserei Tash Rabat aus dem dem 15. Jahrhundert. Vincent schlägt vor, dass wir zuerst zur Karawanserei fahren und dann am See Zelten. Es sind 400 km. Das wird ein langer Tag.
Wir fahren zuerst ein Stück Richtung Osh zurück und biegen nach ca. 50km von der Asphalt Straße nach Osten ab. Ab jetzt bewegen wir uns nur noch offroad. Die breite Pass-Straße windet sich in langen Kurven um den Berg und auf der gegenüberliegenden Seite des Berges sehen wir den ersten Schnee.
Die Landschaft ist ganz anders als in Tadjikistan. Statt schroffen, grauen Felsen sieht man in Kirgisistan grüne und mal braune Bergketten, die sich unendlich weit erstrecken. Über 90% des Landes liegen über 1.500m, das heisst man befindet sich quasi immer in den Bergen. Nahezu perfekt – leider sind die Straßen oft ein Albtraum. So auch diese hier. Arschbrett sagen Roland und ich dazu. Hartes Waschbrett mit feinstem Kies. Man wird unendlich durchgerüttelt und eingestaubt.
Als wir den Pass auf 3.300m überqueren ist es kurz vor 17 Uhr und es beginnt zu dämmern. Noch liegen über 200 km und ein 2. Pass vor uns. Wenn die Straße genauso weiter verläuft, schaffen wir es nie und nimmer bis zum See. Es bleibt beim Arschbrett und wir quälen uns weiter. Kilometer für Kilometer. Vincent fährt voraus, ich in der Mitte. Plötzlich höre ich Roland schreien. Nein, scheiße nein! gefolgt von einem lauten Ahhhhhhh! Er ist gestürzt. Ich drehe hektisch um. Roland steht schon wieder neben seinem Bike, ich will wieder umdrehen, um in der richtigen Fahrtrichtung zu stehen und zack – jetzt liege ich auch. Zwischen den beiden Fahrbahnen wurde eine Begrenzung aus Kies und Steinen aufgeschüttet, die an dieser Stelle so hoch ist, dass ich einfach stecken geblieben bin. Roland ist es ähnlich ergangen, er ist mit dem Vorderrad über die Begrenzung gekommen und das Hinterrad blieb auf der anderen Fahrspur. Wir haben das beide in der Dämmerung und mit den verstaubten Visieren schlichtweg übersehen. Blöder Fehler. Roland und seine nineT hat es ein bisschen mehr erwischt. Der linke Handprotektor ist abgerissen weil der Fuss vom Spiel abgebrochen ist. Außerdem hat sie diverse Kratzspuren an Windschild und Verkleidung und der Tankrucksack ist aufgerissen. Roland selbst hat sich vermutlich die Rippen ein bisschen geprellt und der Ellbogen tut ihm weh. Zum Glück nichts Ernstes. Ich gebe ihm trotzdem Arnica Globuli. Wir stecken die losen Teile ein, Roland klebt den Tankrucksack mit Klebeband zu und wir fahren weiter.
Es wird immer später und ist bereits stockdunkel. Ich bin müde und genervt, weil wir einen schönen Pass fahren aber nichts von der Landschaft sehen und Rolands Stimmung ist aus gegebenem Anlass auch nicht die Beste. Wir besprechen uns mit Vincent und auch ihm ist klar, dass wir es nicht zum See schaffen werden. Also suchen wir ab jetzt irgendwo auf der Strecke einen Platz zum Übernachten. Vincent entdeckt irgendwann einen kleinen Feldweg, der zu einem verlassenen Haus mit Stall führt. Dort bauen wir im Dunkeln die Zelte auf und kochen. Es geht doch nichts über eine ordentliche Portion Spaghetti um Mitternacht, während über einem Millionen von Sterne funkeln. Ein schöner Abschluss für einen anstrengenden Tag. Zufrieden gehen wir drei ins Bett.