Heute ist es soweit. Wir werden den höchsten Punkt des Pamir Highway befahren, den Ak Baytal Pass auf 4.655m. Unser heutiges finales Ziel aber ist der Karakul See ca. 60 km nach dem Pass. Dort möchten wir zelten bevor wir übermorgen über die Grenze nach Kirgisistan einreisen.
Beim Aufpacken sieht Roland, dass Zickis Vorderrad-Felge wieder einen Schlag hat. An der gleichen Stelle, die Aziz in Dushanbe repariert hatte. So ein Mist. Ich rede mit Tahir von der Rezeption, der übrigens perfekt deutsch spricht. Er telefoniert mit Aziz und erhält einen Kontakt in Osh. Stas führt „Zukohovs Guesthouse“ und ist Mechaniker. Er kann mir helfen. Wunderbar. Zwei Fliegen mit einer Klappe. Felgen-Reparatur und Übernachtung.
Nach dem Frühstück fahren wir tanken. Wie so oft gibt es keinen vernünftigen Zapfhahn, der Tankwart füllt aus einem Tankwagen mit einem 4l Kanister angeblich 92er Benzin ab und betankt damit unsere Bikes. Das dauert, denn alle drei Bikes sind komplett leer, Roland und ich füllen zudem unsere Ersatzkanister und Vincent hat einen 30l Adventure Tank. Der Tankwart lächelt und sagt „Fantastic“. Er macht vermutlich gerade seinen Tagesumsatz mit uns.
Anschließend fahren wir zum Basar gegenüber und kaufen Vorräte und Wasser ein. Wir sind keine 200km von Kirgisistan entfernt, daher leben hier in Murghab sehr viele Kirgisien – gut erkennbar an den typischen Hüten genannt Kalpak.
Wir starten los. Roland fährt voraus, ich als zweite und Vincent am Schluss. Wir verlassen Murghab und fahren in die Einsamkeit. Hier ist nichts. Kein Haus, kein Mensch, kein Baum, kein Tier. Nur wir drei und die Berge. Um einen Berg ist ein Zaun, sage ich zu Roland. Komisch. Dann fährt Vincent neben mir und schreit aufgeregt rüber. „Das ist Schieeenaaa.“ und deutet Richtung Zaun. Hä? Wirklich? Ich weiss, dass wir nahe der chinesischen Grenze sind aber SO nah? Ich halte an, möchte ein Foto machen. Vincent hat ebenfalls hinter mir gestoppt und läuft mit seiner Kamera und Selfistick Richtung Grenzzaun.
Roland fragt mich, was los ist. Ich: „Vincent macht ein Foto am Zaun. Oha, jetzt macht er ein Foto in China. Er ist eben durch ein Loch im Zaun geschlüpft. Vincent ist in China!“
Roland kommt zurück und wir gehen zum Zaun. Vincent hat die größte Freude, ein Selfie nach dem anderen zu knipsen. Wir bleiben lieber auf der tadjikischen Seite. Zu groß ist die Angst, dass gleich chinesische Elitesoldaten aus ihren Erdlöchern springen und uns festnehmen.
Wir fahren weiter und keine 30 Minuten später haben wir den Ak Baytal Pass erreicht. Ich stehe mit Zicki auf 4.655m. Das ging schnell. Das hatte ich mir irgendwie spektakulärer vorgestellt. Mh. Ich hab vergessen, dass Murghab bereits auf 3.600m liegt. Da fehlte natürlich nicht mehr viel bis zum Pass. Nun gut, wenn man die letzten Tage und Höhenmeter zusammen nimmt, haben wir ohnehin eine ordentliche Leistung hingelegt und wir können froh sein, dass keiner von uns beiden Höhenkrank geworden ist.
Es ist kalt hier oben und nach ein paar Fotos fahren wir weiter Richtung Karakul See. Auch dort ist kälter als gedacht, der See liegt auf 4.000m und es hat gerademal 9 Grad. Irgendwie ist mir nicht nach Zelten. Wir besprechen uns kurz mit Vincent und beschließen ein Homestay im Ort Karakul zu suchen. Karakul wirkt trostlos und verlassen auf uns. Am Ortseingang stehen kaputte und herunter gekommene Lehmhäuser. Kein Mensch ist zu sehen. Nicht gerade einladend. Roland sieht ein Schild am Straßenrand „Cheps Homestay“ und wir fahren dorthin. Vor dem Haus stehen zwei Jeeps. Drei deutsche Mädels, die ich kurz im Pamir Hotel gesehen hatte, haben hier ebenfalls eingecheckt zusammen mit ihrem Guide und Fahrer.
Der Besitzer Abd führt das Homestay mit seiner hochschwangeren Frau. Sie bekommt im September das 4. Kind – nach 3 Töchtern wird es jetzt ein Sohn sein.
Wir beziehen das letzte freie Zimmer. Es ist groß und mit schönen, bunten Teppichen ausgelegt. Die Tür- und Fensterrahmen sind blau gestrichen. In einer Nische steht ein gusseiserner Ofen, in einer anderen Nische ein Fernseher, darunter ein Receiver. Aha. Strom haben sie hier also, vermutlich von einem Diesel-Generator wie überall. Unser Zimmer ist das Durchgangszimmer zu den Mädels, was uns aber nicht weiter stört. Uns gefällt das Homestay und wir fühlen uns sofort wohl. Auch wenn es keine Dusche gibt und die Außentoilette eine Herausforderung ist. Wie gut, dass ich jahrelang Pfadfinder war, ich saß schon auf vielen Donnerbalken also werde ich das hier auch überleben.
Nachdem wir ausgepackt haben, gibt es Abendessen. Plov. Reis mit Gemüse und Fleisch. Ich dachte Plov ist das usbekische Nationalgericht. Scheinbar gibt es das auch hier. Es schmeckt gut, auch in meiner vegetarischen Variante. Dazu servieren sie Cay und frisches Brot mit Kaymak: Selbsgemachte Yak-Butter. So lecker.
Nach dem Essen schlägt uns Abd vor, dass wir morgen einen Ausflug zu seiner Yak-Herde machen. Wie wollen eigentlich früh nach Osh fahren, mein Reifen verliert Luft und ich möchte ihn nicht unnötig strapazieren und vielleicht sogar mit einem Platten liegen bleiben. Aber wenn wirklich was passiert, haben wie einen Local dabei, der uns helfen kann. Also sagen wir ja, warum nicht. Osh kann warten.
Abd und seine Frau räumen ab und bereiten unser Nachtlager vor. Sie haben den kleinem Tisch, an dem wir eben gegessen habe, zur Seite gestellt und legen den Boden mit dünnen und bunten Matratzen aus. Seine Frau habe sie genäht meint Abd. Auderdem erhält jeder Bettzeug. Ich lege trotzdem meinen Schlafsack bereit, da mir etwas kalt ist.
Es ist inzwischen nach 22 Uhr, die Generatoren laufen nicht mehr und der kleine hässliche Ort Karakul ist dunkel und still. Jetzt kann der Nachthimmel leuchten. Wir putzen Zähne am Waschbecken vor dem Haus und sehen uns dabei die unzähligen Sterne an. Großer Wagen und Milchstraße sind ganz deutlich zu erkennen und Millionen weiterer Sterne. Es ist unfassbar schön und wieder einmal bin ich sehr dankbar, dass ich so eine tolle Reise machen und so viel Wunderbares erleben kann.
Schön wieder mal von de Nachbarn zu hören 😊 Seids scho in kirgisistan??
Ich werd auf jeden fall bis zu eurer Rückkehr den Italiener mit der besten Pasta mit Tomatensoße in Passau rausfinden 👍
Beste Nachbarin aller Zeiten. Nur noch 6,5 Wochen!