Pünktlich um 11 steht Buba vor der Tür. Wir verabschieden und bedanken uns und hoffen, dass er und seine Familie uns bald in Bayern besuchen.
Unser erstes Ziel heute ist Chiatura, eine alte Industriestadt. Bis zum 1. Weltkrieg wurde hier das meiste Manganerz weltweit abgebaut, das zum größten Teil nach Deutschland exportiert wurde.
Chiatura liegt eingebettet in einem Tal, die Straße dorthin windet sich in engen Kurven den Berg hinab. Sofort fallen einem die uralten Industrieanlagen und die vielen Seilbahnen ins Auge, die kreuz und quer über die Stadt führen. 1954 wurde die erste von über 70 Seilbahn in Betrieb genommen, ein paar wenige werden heute noch für den Personenverkehr verwendet. Und zwar in unverändertem Zustand seit dem ersten Tag. An einem Kreisverkehr finden wir einen Bahnhof für zwei Seilbahnen. In einer fährt man alleine, in der anderen mit Personal, meist sind es Frauen, die die Seilbahnen steuern. Roland möchte zuerst die unbemannte fahren. Wir betreten die kleine Kabine, Roland kann kaum aufrecht stehen. Die Tür knallt ist Schloss. Es ist finster, kaum Licht dringt durch die zwei runden Gitterfenster ins Kabineninnere. Das ist wahrlich nichts für Klaustophobiker und ich überlege kurz, ob ich diese Phobie auch habe. Eine schrille Klingel ertönt und wir starten los. Die Fahrt dauert nicht lange, vielleicht zwei Minuten aber mein Herz schlägt mir bis zum Hals. Die Seilbahn quietscht und ruckelt. Als die Kabine mit einem lauten Knall oben am Berg im Bahnhof einrastet, werfe ich mich vor Schreck auf den Boden und umklammere meinen Tankrucksack. Wenn wir abstürzen dann möchte ich mit all meinen Dokumenten im Arm gefunden werden. Macht die Identifizierung einfacher. Oben erwarten uns zwei Sicherheitsbeamte und zwei sehr, sehr alte Damen. Sie sitzen gelangweilt auf einer Bank, mehr als ein müdes Kopfnicken, als wir sie begrüßen, ist nicht drin. Ich mache ein paar Fotos, Roland sieht sich währenddessen den Maschinenraum an und versucht mich zu beruhigen. „Das sieht ordentlich aus, ist alles gut geschmiert.“ Also wenn ich etwas in meiner Beziehung mit einem Ingenieur gelernt habe dann, dass das „Schmieren“ bei mechanischen Teilen das Wichtigste ist. Die Fahrt nach unten ist ähnlich aufregend für mich, wenigstens traue ich mich kurz durch die Gitterfenster zu sehen.
Die zweite Seilbahn ist viel größer und wird von einer Dame gesteuert. Sie führt über den unfassbar dreckigbraunen Fluss auf den gegenüberliegenden Berg zu vier maroden Wohnhäusern aus der Sowjet-Zeit. Die Fahrt dauert länger, ist aber viel ruhiger und angenehmer. Oben angekommen werfe ich einen Blick auf die Häuser. Kaum ein Fenster ist mehr vollständig erhalten, der Putz bröckelt überall von der Fassade, bei vielen Balkonen fehlen große Teile des Mauerwerks. Und trotzdem sehe ich in einer Etage eine Leine mit Wäsche hängen. Mit uns in der Seilbahn saßen ein Mann und eine Frau, beide tragen ihre Einkaufstüten in eines der Wohnhäuser. In den heruntergekommenen Gebäuden wohnen tatsächlich noch Menschen.
Cs. 10.000 Einwohner hat Chiatura und für die meisten sind die Seilbahnen der schnellste und günstigste Weg, in die Arbeit und wieder nach Hause zu kommen. Mit dem Auto würde es ca. 20 Minuten dauern, um vom Zentrum bis hier rauf auf den Berg zu gelangen, die Seilbahn braucht keine 5. Vermutlich würde auch ich mich nach ein paar Tagen an diese Art der Beförderung gewöhnen. Aber so ist es ein Abenteuer.
Knapp 100 km fahren wir heute noch bis Kutaissi. Ich hab im Internet ein kleines Hotel rausgesucht. Wie jeden Abend wird in windeseile eingecheckt und umgezogen. In einem kleinen Lokal am Fluss essen wir zu Abend. Da die Wettervorhersage für die Gegend um Ushguli, unser nächstes Ziel, schlecht ist, beschließen wir, morgen noch in Kutaissi zu bleiben.