Es ist es nicht nur ein Umzug von einer Wohnung in eine andere. Ich ziehe von München nach Frankfurt. Nach 39 Jahren verlasse ich meine Heimat, meine Freunde, meine Familie. Für meinen neuen Job. Seit Januar bin ich für das Marketing von Indian Motorcycle in Deutschland und Österreich zuständig und unser Büro ist südlich von Frankfurt. Auch wenn es nur knapp 400 km sind, die mich von meinem geliebten München trennen, ist es doch ein komisches Gefühl, alles hinter sich zu lassen. Und zu allem Übel für eine Stadt, die angeblich viel hässlicher und vor allem total gefährlich ist – überall Drogensüchtige und Kriminelle, werde ich von vielen gewarnt. Meistens kommen die Warnungen von Leuten aus Bayern.
Ich bin nun seit fast drei Monaten in Frankfurt und was soll ich sagen – es gefällt mir hier. Die kleine Großstadt mit ihrer Mischung aus prächtigen Altbauten und riesigen Hochhäusern. Tagsüber ist Frankfurt eine Millionenstadt aber abends, wenn alle Pendler nach Hause fahren, befinden sich hier nur noch etwas über 600.000 Menschen. Also gerade mal halb so viele Einwohner wie in München.
Auch ich pendle für meinen Job, allerdings in die andere Richtung. Von Frankfurt raus nach Griesheim-Darmstadt, wo sich unser Büro befindet. Falls sich wer fragen sollte, warum ich nicht in das viel nähere Darmstadt gezogen bin: Ich wollte nicht in einer Stadt wohnen, die mich an den Verdauungstrakt erinnert. Für mich war von Anfang an klar, dass ich in Frankfurt wohnen möchte, und bitte so zentral wie möglich! Schließlich habe ich die letzten fünf Jahre am Gärtnerplatz – also mitten in München – gelebt. Ich liebe die Stadt, brauche das laute Leben und alles Wichtige fußläufig erreichbar.
Nachdem ich die ersten acht Wochen bei meiner Freundin Sußie im Ostend wohnen durfte, habe ich nun meine absolute Traumwohnung in Sachsenhausen gefunden. Zwei Zimmer im ausgebauten Altbau-Dachgeschoss mit hohen Decken und ein Balkon mit Blick auf den Römer und die EZB. Und ein Fitness-Vertrag ist im Mietvertrag auch enthalten, denn die Wohnung befindet sich im 5. Stock ohne Aufzug. Der Umzug wird eine Herausforderung.
Da ich meine Wohnung in München erst Ende März aufgebe, kann ich den Umzug in Etappen machen. Den ersten Schwung nehme am letzte Februar-Wochenende mit meinem T6 mit. Freitagmorgens, nachdem ich die Schlüssel für meine neue Wohnung erhalte habe und bereits die ersten Kartons in den 5. Stock getragen habe, fahre ich etwas erschöpft aber gut gelaunt und voller Tatendrang nach München. Bis ich daheim im Chaos stehe und einen leichten Anflug von Panik bekomme. Vor zwei Wochen hatte mir meine Freundin Barbara geholfen, die ersten Kartons zu packen und ich kann mich kaum rühren zwischen dem ganzen Zeug. Gegen Nachmittag kommen meine Eltern zur Unterstützung. Es ist glaube ich der 27. Umzug, den sie mit einer ihrer 4 Töchter machen. Wobei ich diese Rangliste mit Abstand anführe! Ich trage Kartons, Stühle, mein zerlegtes Bett samt Matratze, eine Kommode, Pflanzen, Tüten und weiteres Krimskrams nach unten, mein Vater belädt den Bus im Tetris Expertenlevel, nur dass leider keine Reihen verschwinden. Irgendwann ist Schluss und das Auto voll. Es ist kurz vor Mitternacht als ich total erschöpft ins Bett gehe.
Der Wecker klingelt um 7 Uhr. Ich will nicht aufstehen. Ok, eigentlich will ich das nie, ich bin ein ganz schlimmer Morgenmuffel. Aber heute ist es noch schlimmer. Ehrlich. Ich spüre den gestrigen Tag in meinen Knochen. Beim Frühstück legt mir mein Vater eine Magnesiumtablette auf den Teller. „Das brauchst du heute“ nuschelt er. „Danke“ antworte ich gequält und beiße in mein Marmeladenbrot.
Für einen Samstag ist erstaunlich wenig los auf der A9, ich komme in 4,5 Stunden ohne Stau nach Frankfurt. Ich parke in zweiter Reihe vor der Haustür und gebe Sußie Bescheid. 10 Minuten später fährt sie mit ihrem Rad um die Ecke. Sußie und mein Cousin Marni, der in Frankfurt Lehramt studiert, sind meine Umzugshelfer heute. Zu dritt machen wir den Bus in 1,5 Stunden leer. Wir stöhnen, jammern und verfluchen den 5. Stock. Es ist wirklich anstrengend, aber Marni und ich haben es sogar geschafft, das Bett und die Matratze nach oben zu tragen. Ohne Sußie und Marni wäre ich aufgeschmissen gewesen. Aber nur zur Erinnerung – das war ja erst Teil 1…