Die heutige Etappe beträgt 217 km. Bereits bei Kilometer 6 verfahre ich mich, finde aber nach einigen Verwirrungen wieder auf die richtige Strecke. Trotzdem ist die Luft raus, denn ich habe den Anschluss verloren und alle fünf Fahrer, die hinter mir gestartet sind, haben mich überholt.
Die Strecke ist irgendwie langweiliger als gestern. Die meiste Zeit geht es auf breiten, kurvigen Pisten dahin aber der feine Sand auf dem harten Boden ist so tückisch, dass ich mich nicht traue, viel Gas zu geben. Ich kann mir gut vorstellen, wie die Profis auf den langen Geraden mit Geschwindigkeiten von weit über 100 unterwegs sind und das Bike um die Kurven driften, ich dagegen dümpel wie ein Anfänger vor mich hin. Allerdings möchte ich keinen Sturz riskieren, da ich die gesamten 210 km lang komplett alleine unterwegs bin. Gefühlt ist es heute mehr eine Abenteuer-Reise als ein Race. Die wenigen Enduro-Passagen meistere ich ohne Drama.
Zum Glück gibt es alle 30 bis 40 Kilometer Streckenposten, die mich anfeuern, sonst wäre ich vermutlich total eingeschlafen. Tatsächlich empfinde ich die Betreuung nicht nur deswegen als sehr positiv. Ich habe seit Beginn der Rally das Gefühl, dass sich das Orga-Team ganz besonders rührend um mich kümmert und auf mich Acht gibt.
Nach ca. 2/3 der Etappe treffe ich im Wald auf den Fahrer Marc aus England und den Marshall Nikos. Ich halte an und will wissen, was passiert ist, denn ich sehe nur ein Motorrad. Marc zeigt in den Abgrund und sagt, dass seine Enduro 40 m weiter unten steht. Ich traue meinen Augen kaum, als ich hinab sehe. Wie kommt die da runter will ich wissen? Marc erzählt, dass er vor der langen matschigen Pfütze, durch die ich eben durchgefahren bin, zu lange aufs Roadbook geschaut hat. Er hat die Pfütze nicht gesehen, die Kontrolle verloren ist gestürzt und das Bike ist den Abhang runter geschlittert. Er selbst konnte sich vom Bike lösen und ist zum Glück „oben“ geblieben. Ich schaue nochmal runter. Das Motorrad ist so weit weg und winzig, dass ich nicht Mal das Modell erkenne. Ich verabschiede mich und fahre weiter ohne weitere Unterbrechungen. Kurz nach 17 Uhr komme ich endlich ins Ziel – 4 Stunden nach dem Erstplatzierten. Aber ich habe die komplette Etappe geschafft – ohne einen einzigen Sturz oder Umfaller.
Fotos: Matteo Longobardi, Alexandros Sougiannis