Heute steht Kültür auf dem Programm. Auf dem Weg zum Nemrut Dagi stoßen wir zufällig auf eine alte Steinbrücke über einem Fluss, der mich mit seinem türkisblauen Wasser und den hellen Kiesbänken an meine geliebte Isar erinnert. Von der Brücke aus blickt man direkt in die Felsen, aus denen der breite Fluss entspringt. Einige Einheimische baden, offensichtlich Familien mit Kindern und zwischen großen Steinen im Wasser haben sie ganze Wassermelonen platziert. Wir überlegen kurz, ob wir ebenfalls baden gehen, werden dann aber von dem Eigentümer der kleinen Pension an der Brücke angesprochen und auf einen Cay eingeladen.
Er lebt seit Jahren in Tirol und verbringt die Sommer hier an der Cendere Bridge und führt die Pension. Die Brücke wurde 200 v. Chr. von den Römern erbaut, erzählt er uns. Früher kamen viele Touristen hierher, unter anderem auch das Rotel, das selbstrollende Hotel aus Tittlingen, das Roland natürlich kennt. Aber vor drei, vier Jahren ist der Tourismus massiv eingebrochen. Ab und an kommen ein paar Einheimische, die hier Urlaub machen. Es gibt noch viele weitere antike Sehenswürdigkeiten in dieser Gegend, aber auch dort sieht man keine Touristen mehr. Wir alle wissen, woran das liegt.
Nach zwei Cay setzen wir unsere Fahrt zum Nemrut Dagi fort. Der Nemrut, mit 2.150m eine der höchsten Erhebungen im Taurusgebirge, ist nicht nur ein Vulkan, sondern auch Grabstätte und gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Die gut ausgebaute Straße führt bringt uns in einer knappen halben Stunde von der Brücke auf den Berg.
Bis zum Besuchszentrum dürfen wir fahren, dann müssen wir die Bikes auf dem Parkplatz stehen lassen und ein Bus-Shuttle zur Grabstätte nehmen. Es ist das erste Mal, dass unsere voll beladenen Bikes unbeaufsichtigt sind und uns nicht ganz wohl dabei. Der Shuttlefahrer meint, es sei kein Problem und unsere Sachen sind hier sicher. Wir vertrauen ihm, packen aber trotzdem zumindest alle wichtigen Dokumente in unsere Tankrucksäcke und steigen in das Shuttle. Leider müssen wir dann noch weitere 20 Minuten steil den Berg hinauf gehen, was eigentlich konditionstechnisch kein Problem ist. Aber die Fahrerei in der Hitze hat uns zugesetzt und wir schwitzen in unseren Motorradklamotten.
Zum Glück lohnt sich der anstrengende Aufstieg. Oben erwartet uns eine großartige Kultstätte mit drei Terrassen, die um einen aufgeschütteten Geröllhügel angeordnet sind. In dem Hügel soll sich angeblich das Grab des Antiochos befinden, bisher konnte das Innenleben noch nicht erforscht werden, da man Angst hat, dabei zu viel zu zerstören. Auf den Terrassen stehen riesige, aus Stein gehauene Statuen, die Antiochos selbst sowie Herakles, Zeus und andere Götter darstellen. Ihre Köpfe wurden durch Erdbeben und Blitzeinschlag abgetrennt und liegen nun direkt vor den Körpern. Ich hatte gelesen, dass die Statuen besonders bei Sonnenauf- bzw. -untergang ein Erlebnis sind, da das Licht zusammen mit dem rötlichen Stein eine faszinierendes Farbenspiel ergibt. Aber auch so sind wir tief beeindruckt von dem über 2.000 Jahre alten Denkmal.
Auf dem Weg nach unten treffen wir den allerersten Motorradreisenden überhaupt, einen Russen auf einer Suzuki. Er ist alleine unterwegs auf einer Tour um das Schwarze Meer, seine Frau muss arbeiten. Er empfiehlt uns noch Marokko als Reiseziel und fährt ab.
Wir machen uns ebenfalls auf den Weg und fahren eine wunderschöne Strecke durch den Nemrut Nationalpark. Es ist bereits nach 19 Uhr und unser eigentliches Tagesziel ist noch knapp 150 km entfernt. Also müssen wir umplanen und steuern die nächstgelegene Stadt Kahta an. Katha wirkt leider sehr heruntergekommen und die zwei Hotels, die ich über das Navigationsgerät gefunden habe, gefallen uns gar nicht. Ich möchte gern in die 50 km entfernte Großstadt Adiyaman, denn dort finden wir sicher ein Hotel. Roland will lieber weiter der Nase nach Richtung Süden zu einem Stausee und irgendwo auf der Strecke wird sich schon eine Unterkunft auftun. Das ist mir aber zu stressig, es wird bereits dunkel. Ich setze mich durch und bis wir in Adiyaman ankommen, herrscht eine klitzekleine Spannung zwischen uns.
Am Ortseingang von Adiyaman sehe ich ein Schild zum Grand Isias Hotel und steuere es an. Der Preis für ein Doppelzimmer mit Frühstück liegt bei 180 Lire also checken wir ein, bestellen zwei EFES aufs Zimmer, schauen die Fußballspiele in der Wiederholung und haben uns wieder lieb.