Nach dem Frühstück fahren wir los. Tehran zeigt sich morgens von der gleichen Seite wie abends. Laut und voll. Es herrscht unendlich viel Verkehr und das Straßennetz ist nach wie vor undurchschaubar. Es dauert 1,5 Stunden, bis wir aus der Stadt sind. Entnervt fahren wir auf der Schnellstraße Richtung Qazvin. Nach einer weiteren Stunde nehmen wir die Ausfahrt in die Berge. Endlich wieder Kurven, endlich Berge, diese wunderschöne Landschaft, wie wir sie vom Iran kennen. Und kühle Temperaturen. Vor lauter Fahrfreude verpassen wir den 9.000er und machen bei 9.127 km unser Foto.
Die Schnellstraße wird zur kleinen Bergstraße. Rechts, links, rechts, links. Ich fahr mich wieder schwindlig und lasse den grauenvollen Eindruck von Tehran hinter mir. Bis zum Alamut Castle schaffen wir es leider zeitlich nicht mehr. Wir planen um und wollen die Nacht am Evansee (Ovan Lake) verbringen. In einem kleinen Laden im Dorf Dikin kaufen wir ein paar Vorräte ein und fahren die letzten 30 Minuten weiter die Serpentinen den Berg entlang.
Am See angekommen, ist Roland zuerst etwas enttäuscht, denn wir sind nicht alleine. Es stehen einige Autos verteilt am See, manche in den gemauerten Picknick-Stellplätzen mit Dach, andere direkt am Ufer. Wir bleiben trotzdem und machen uns in einem der Stellplätze breit. Als wir abpacken huscht ein kleiner Fuchs vorbei. Vermutlich auf der Suche nach Essensresten.
Nachdem das Zelt aufgebaut ist, koche ich die Pasta und während wir essen, kommt der erste Besuch. Die Nachbarn links bringen Pfirsiche, Nektarinen, Bananen und Gurken. Perfekt, Obst und Gemüse hatten wir nicht eingekauft, denke ich mir. Als nächstes kommen die Nachbarn von rechts mit Eis. Das wird ja immer besser! Nachtisch. Herrlich. Wir setzen uns auf unsere Stühle und schauen auf den See.
Ich probiere das Eis. Oh Gott, Melone. Ausgerechnet! Es gibt nicht viel, das Roland nicht isst. Melone gehört dazu. Der Grund: Ein traumatisches Erlebnis aus der Kindheit. Irgendwann in den frühen 70ern ist er mit seinen Eltern auf dem Heimweg von Jugoslawien, seine Mama hatte vorher noch Wassermelone gekauft, die er und sein Bruder auf der Rücksitzbank essen. Wassermelone und eine rasante Autofahrt entlang der Küste vertragen sich wohl nicht, denn nach kurzer Zeit übergibt sich Roland im Auto. Seitdem hat er nie wieder Melone angerührt.
Roland packt das Eis aus. Ich warte. Habe mich dafür entschieden, ihn nicht zu warnen. Er probiert es. Ich schaue ihn an. Er schleckt weiter. Nach ein paar Minuten sage ich: „Mhhh, lecker, gell?“ Roland antwortet: „Ja, ich weiß nur nicht, was das für ein Geschmack ist. An irgendwas erinnert er mich.“ Ich bleibe cool, lasse mir nichts anmerken und sage: „Waldmeister, vielleicht?“ „Neee… das ist anders.“ Als er fast fertig ist, platzt es aus mir heraus: DAS IST EIN MELONENEIS! DU HAST MELONE GEGESSEN! Er guckt mich ungläubig an, lächelt und isst weiter. Hoffentlich ist der Melonenbann jetzt gebrochen.
Nach dem Abwasch besuchen wir die Nachbarn links, eine achtköpfige Familie. Oma, Opa, Tochter mit Mann und zwei Kindern, 2. Tochter mit Mann. Wir dürfen uns mit auf dem Teppich setzen, dahinter steht ein Zelt. Die 14jährige Tochter spricht etwas Englisch und so erfahren wir, dass sie aus Tehran sind, und hier öfter zum Camping herfahren. Dabei schlafen die Frauen im Zelt und die Männer auf dem Teppich davor. Was hat Roland Glück, dass er neben mir im Zelt liegen darf. Sie haben neben dem Stellplatz ein großes Feuer gemacht und bieten uns als erstes gegrillte Kartoffeln an. Sehr lecker, Kartoffeln hatte ich schon Wochen nicht mehr. Dann bereiten sie Schaschlick-Spieße vor, die Spieße sind bestimmt 50cm lang, werden mit eingelegtem Hühnchen bestückt und auf das Feuer gelegt. Oh je, bitte kein Essen mehr. Wir sind noch so satt von der Pasta. Und dem Meloneneis. Aber keine Gnade, Roland bekommt einen Spieß mit Reis und einer Joghurt-Auberginen-Knoblauch-Soße, die es in sich hat. Joghurt und Aubergine kann man nur erahnen, der Knoblauch hat unbestritten die Oberhand in diesem Gemisch. Ich esse einen Berg Reis mit der Soße und hoffe, dass damit wenigstens den Mücken der Appetit auf mein Blut vergeht. Nach ein paar netten Gesprächen gehen wir wieder zu uns, wir sind müde und wollen schlafen.
Leider ist bis kurz nach 1 Uhr an Schlaf nicht zu denken, denn Bauarbeiter reparieren irgendwas an den Laternen, ein Laster steht keine 10m weg von unserem Zelt und läuft ununterbrochen und die Arbeiter schreien sich die ganze Zeit irgendwas zu. Die Iraner schlafen also nicht nur lang, sondern sie arbeiten auch bis spät in die Nacht. Irgendwann ist der Lärm vorbei und wir können endlich einschlafen.