Um 8 Uhr stehen wir vor dem KTM Händler. Sergio erklärt das Problem mit dem Kühler und der Mechaniker meint, sie müssen das Bike erstmal waschen und dann können sie es reparieren. Ich schreie auf! Nein, bloß nicht waschen. Mein mühsam erkämpfter Dreck. Die Jungs lachen. Erhan lässt seine 1290 ebenfalls dort für einen kleinen Service und wir gehen alle zurück ins Hotel zum Frühstücken. Die Reparatur an meiner Kathl wird bis morgen dauern und daher wollen wir uns heute Cali ansehen.
Sergio hat einen Kunden hier – Angel Senior – der zusammen mit seinem Sohn – Angel Junior – ein Enduro-Training bei ihm gemacht hat. Angel schickt uns netterweise seinen Fahrer, der uns die Stadt zeigen soll. Draußen hat es über 30°C, die Klima im Ford Pickup ist auf 18°C eingestellt. Ich sitze hinten in der Mitte und bereits nach kurzer Zeit fröstelt es mich so sehr, dass ich mich zusammenkauer und hinter meinem Turnbeutel verstecke.
Als erstes steuern wir die Cristo Rey Statue an, die eine 1:1 Kopie der Statue in Rio ist, allerdings 12 m kleiner. Cristo schaut auf die 3 Millionen Einwohner Stadt Cali, die sich aktuell hinter einer leichten Smog Decke versteckt. Auf dem Rückweg halten wir kurz an einem Militär-Checkpoint an. Der sehr freundliche Soldat begrüßt uns und auf meine Rückfrage hin erklärt er, dass der Panzer nicht einsatzbereits ist, aber bei großen Unruhen können sie sich darin verstecken, bis Verstärkung kommt. Etwas unterhalb der Straße befindet sich Barrio Siloé, das ärmste und gefährlichste Viertel in Cali. Angeblich gibt es hier täglich Schießereien und andere Verbrechen.
Danach cruisen wir ein bisschen durch die Stadt und halten an einem „Heladeria“ Stand. Hier gibt es Eis und Fruchtdesserts. Endlich wieder Zucker. Wir essen Obstsalat in gefärberter Zuckersirupsoße und Vanille-Eis. Keiner schafft es, ganz aufzuessen. Ein Mann kommt zu unserem Tisch und er möchte unsere Reste haben. Wir sollen alles zusammen in einen Becher schütten. Zuerst bin ich geschockt, beschämt, dann ärger ich mich, dass ich mir den Luxus erlauben wollte, nicht aufzuessen. Aber hätte wir alle nichts übrig gelassen, hätte der Mann jetzt nichts davon. Ist dasnun gut oder schlecht? Hätte ich ihm ein neues Eis kaufen sollen? Ich kann meine Gefühle und Gedanken gerade nicht sortieren und erstrecht nicht in Worte fassen.
Unser nächster Stopp ist das Büro von Motolombia, einem Motorrad-Touranbieter. Sowohl Anita und Sergio, als auch Erhan kennen den dänischen Besitzer Mike, der vor 15 Jahren mit dem Motorrad nach Cali kam, sich in seine jetzige Frau Diana verliebte und hier blieb. Seit 12 Jahren bietet er hauptsächlich onroad Touren auf den aktuellen Modellen von BMW, Yamaha und Kawasaki an. Wir tauschen Motorrad-Reiseerfahrungen aus und verabreden uns später zum Abendessen.
Auf dem Rückweg zum Hotel halten wir in der Mall Chipechape für einige Besorgungen und späten Lunch. Auf dem Weg vom Parkplatz runter hält der Fahrer hinter einer Reihe parkender Autos, steigt aus und geht zum Automat, um das Parkticket zu bezahlen Auf einmal macht es RUMMS und unser Auto wackelt leicht nach links. Dann nochmal. Ich drehe mich nach rechts um und sehe, dass ein weißes Auto ausparken wollte und in unseren Ford gefahren ist. Zweimal! Keine Ahnung was die Frau am Steuer geritten hat. Unser Fahrer kommt zurück, Sergio steigt aus und beide fangen an mit der Frau zu diskutieren. Dann steigen eine weitere Frau und ein ca. 12-jähriger Junge aus dem weißen Auto aus. Dann möchte Erhan auch aussteigen und sich den Schade ansehen. Es ist eine winzigkleine Delle an unserem Kotflügel. Unser Fahrer telefoniert mit seinem Chef, weil die Unfallverursacherin meint, wir sollen es gut sein lassen und fahren. Sein Chef willigt ein. Da meint die Frau auf einmal, sie möchte doch die Polizei rufen. Wie bitte? Sie ist schuld, unser Fahrer war bereit, auf alles verzichten, aber das will sie auf einmal doch nicht? Also rufen beide ihre Versicherungen und Anwälte an. Anita meint, das kann jetzt dauern. Wir warten eine gute Stunde, dann beschließen wir, mit dem Taxi ins Hotel zu fahren. Sergio bleibt bei unserem Fahrer, der mit dem mittlerweile eingetroffenen Allianz Vetreter der Frau spricht. Später erfahren wir, dass die Frau am Ende den Schaden sofort vor Ort zahlen musste. Umgerechnet 35€. Was für ein Irrsinn!