Was ist das für ein Turkmenistan!

Um kurz nach 9 Uhr sind wir an der Grenze. Um 9.50 Uhr haben wir den Iran offiziell verlassen mit einem fröhlichen „Welcome to Iran“. Irgendwas hat der gute Mann bei der Ausreise nicht verstanden, aber egal. Unsere Pässe sind gestempelt, das Carnet ebenfalls und jetzt beginnt das Abenteuer Turkmenistan. Wir fahren zur Brücke, die uns über den Fluss auf die turkmenische Seite und zur Grenzkontrolle bringt.

Wir haben viel über den Grenzübertritt gelesen und vor allem ich mache mir ein bisschen Sorgen. Turkmenistan hat unglaublich strenge Kontrollen, teilweise wurden Autos und Motorräder mehrere Stunden durchsucht. Es wird gewarnt Schmerzmittel mitzunehmen, da diese je nach Wirkstoff verboten sind, von Drogen, Waffen ganz zu schweigen. Außerdem wurde von Diebstählen durch die Grenzsoldaten berichtet. Das Internet ist voll von diesen Schauergeschichten. Zur Sicherheit haben wir alle Wertsachen, Dokumente und Geld in unseren Rucksäcken verstaut, und tragen sie immer bei uns.

Wir nähern uns also dem Fluss und ein Soldat kontrolliert unsere Pässe, danach passieren wir die Brücke und fahren 1km durchs Niemandsland. Als nächstes müssen wir unsere Bikes vor einem Gebäude parken. Wir steigen ab und gehen in den Vorraum. Ein Arzt kommt und bittet uns in sein Zimmer. „Any problems?“ fragt er. „No“ unsere Antwort. Er notiert unsere Daten aus dem Reisepass in ein großes Buch und bringt uns zum nächsten Beamten. Dieser checkt unseren Reisepass und das Visa. Er fragt uns, ob wir verheiratet sind (klar), wo wir hinfahren (Ashgabat, Derweza, Konya-Urgench), er will wissen, in welchem Hotel wir wohnen werden (Grand Turkmen), ob wir zelten (Yes, Sir) und wie viel Geld wir dabei haben in Dollar und Euro. Dann macht er einzeln Fotos von uns, nimmt unsere Daumenabdrücke und füllt ein Formular aus. Dazu braucht er auch unseren Fahrzeugschein, den er liebevoll „Bike Passport“ nennt.

Danach schickt uns zur Bank, dem Schalter nebenan. Wir zahlen pro Person 110 Dollar. Berechnet werden die Gebühren u.a. nach der Strecke, die man zurücklegt. Als nächstes geht’s einen Tisch weiter. Hier sitzen drei Männer nebeneinander. Der erste nimmt unseren Reisepass und Fahrzeugschein. Er fragt: Country? Wir: Germania. Dann trägt auch er alle Daten in ein Buch. Jeder Beamte hier scheint das gleiche Buch zu haben. Wir helfen ihm, Kennzeichen, Chassis-Nummer, Gesamtgewicht, Modellnahme und Baujahr aus dem Schein rauszulesen. Er gibt uns unsere Dokumente und schickt uns zum nächsten Beamten, der keine Armlänge neben ihm sitzt. Wir geben ihm unsere Dokumente. Als wäre das nicht schon bescheuert genug, dass sie unsere Dokumente nicht einfach selbst untereinander weiterreichen, fragt Beamte Nr. 2: Country? Wir: Germania. KEIN WITZ. Der gleiche Dialog wie eben findet wieder statt und – Überraschung – beim dritten Beamten ebenfalls. Die drei Nasen sitzen direkt nebeneinander! Was für eine Farce.

Unsere Daten stehen jetzt also in bereits 5 Büchern und wir haben 5 Laufzettel in der Hand. Zuletzt sollen wir ein Stockwerk höher gehen und dem Soldaten dort alles geben. Er ist aber nicht zufrieden, weil wir kein GPS bekommen haben. Also gehen wir wieder runter und füllen ein 6. Mal zusammen mit einem Soldaten sein Buch aus, bekommen ein GPS Gerät mit Auto-Zigaretten-Anzünder (*lach*) und gehen wieder nach oben. Es werden irgendwelche Stempel auf die Dokumente gedrückt und wir dürfen endlich raus zu unseren Bikes.

Man sagt uns, jetzt werden die Bikes kontrolliert und wir sollen zwischen den Lkws im Schatten parken. Sofort wuseln vier, fünf sehr junge Soldaten mit Taschenlampen um uns herum, leuchten die Bikes oberflächig ab, bei Roland sehen sie etwas genauer unter den Tank.
Ein älterer Soldat will alle Papiere sehen und trägt unsere Daten – richtig – in ein Buch. Dann soll ich meinen oberen Bag öffnen und ein Soldat schaut kurz rein. Er fragt mich, ob ich Waffen, Whiskey oder Heroin dabei habe. Ich versuche ernst zu bleiben und sage nein. Roland bitten sie ebenfalls, seine Seiten-Taschen zu öffnen. Er fragt Why? und schaut die Soldaten an. Es passiert nix, also sagen wir höflich thank you um das Ganze zu beenden, ziehen unsere Helme auf und fahren los. Nach einer letzten Passkontrolle am Tor sind wir endlich in Turkmenistan. Bis auf den ganzen Bürokratie-Wahnsinn, der insgesamt 4 Stunden gedauert hat, fanden wir den Grenzübertritt vollkommen in Ordnung. Die Beamten waren alle nett und freundlich. Man braucht halt etwas Geduld.

Direkt nach der Grenze sehen wir die ersten Kamele, ich mache schnell ein Foto, denn auf die Kamele hatte ich mich besonders gefreut. Sie laufen ganz gemütlich über die Straße, eines nach dem anderen. Selbst als ein Lkw auf sie zurauscht und mehrmals hupt, machen die keine Anstalten sich schneller zu bewegen.

Die Etappe nach Ashgabat ist anstrengend, es ist heiss und die Strasse geht mal wieder fast nur geradeaus – kurz vor der Stadt wird sie mehrspurig und der Asphalt Rennstrecken verdächtig. Das macht uns stutzig. Als wir die Stadtgrenze passieren fällt uns sofort auf: Alle fahren exakt 60 wie auf den digitalen Anzeigen angegeben. Keiner hupt oder drängelt. Wir passen uns schnell an und vergessen unseren neuen iranischen Fahrstil, denn die Polizei soll hier rigoros durchgreifen.

Ashgabat ist die krasseste Stadt, die ich bisher gesehen habe. Die Straßen sind breite Alleen, die Springbrunnen monströse Fontänen und die Grünstreifen würden bei uns als Parkanlage durchgehen. Alles ist in weiß gehalten und sieht aus wie aus einem Guss. Hochhäuser, Autos, Busse, Bushäuschen, Metro-Eingang, Strassenlaternen, Telefonzellen (ja kein Witz). Die Ampeln sind verchromt, an vielen Kreuzungen stehen riesengroße in weiße Rahmen eingefasste LED-Wände, die meistens den seit 2006 regierenden Präsidenten Gurbanguli Berdimuhamedow in einer mondänen Pose zeigen. Oft mit ihm im Bild wahlweise Hunde oder Pferd. Und immer sieht er 20 Jahre jünger aus als er tatsächlich ist. Seine Leidenschaft für die Farbe Weiß (er hatte per Gesetz die Einfuhr von schwarzen Autos verboten und lässt nicht weiße Autos abschleppen und umlackieren) und seine Eitelkeit ist vermutlich darin begründet, dass er Zahnarzt war bevor er Präsident wurde. Und zwar der Zahnarzt vom vorherigen diktatorisch regierenden Präsidenten. Dieser hatte keine Kinder und so wurde eben sein Zahnarzt zu seinem Nachfolger ernannt.

Seitdem baut Präsident Berdimuhamedow den Personenkult um sich immer weiter aus. Er erfindet neue Ehren-Orden und verleiht sie sich selbst oder seinen Familienangehörigen. Das Wort für Brot hat er durch den Namen seiner Mutter ersetzt und außerdem die Bezeichnung der Monate geändert. Alles sehr skurril.

Wir ereichen unser Hotel und sehen mit Schrecken, dass es keine 3 Sterne hat sondern 5! Preis pro Nacht: 129$. Unsere Suche nach einem günstigeren Hotel bleibt erfolglos – ich finde ein Hotel für 49$, aber das Zimmer ist eine Zumutung und passt so gar nicht in das BlingBling-Ashgabat. Wir beissen in den sauren Apfel und checken im Grand Turkmen Hotel ein. Wenn schon Scheinwelt dann richtig – und deswegen genehmigen wir uns auch gleich noch zwei Bier am Außenpool. Das erste Mal wieder Bier seit drei Wochen!

 

One thought on “Was ist das für ein Turkmenistan!

  • Barbara
    22. Juli 2018, 10:37

    Lasst es euch gut gehen. Unglaublich was ihr da erlebt. Bis bald ❤

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