Seit einer guten Woche bin ich nun wieder in München. Aber immer noch nicht so richtig angekommen. In meiner Wohnung herrscht Kisten-Chaos und die Jobsuche verläuft schleppend. Da hilft nur eines: sich ablenken und flüchten. So weit weg wie möglich. In diesem Fall ist das L.A. zur Moto Beach Classic Ende Oktober. Ich hatte Direktflüge für 400€ mit der Lufthansa gefunden, und Barbara war sofort dabei. Endlich wieder verreisen, wenn auch nur 5 Tage. Glücklicherweise können wie bei meiner Freundin Juliane in Huntington Beach wohnen, die natürlich auch aufs Festival geht. Juliane arbeitet in der Motorradbranche und über sie bekommen Barbara und ich sogar zwei Motorräder gestellt. Das wird großartig! Ich freu mich wahnsinnig auf das Wiedersehen mit Juliane und allen anderen Freunden aus den USA, das super Wetter, an der Küste Kaliforniens Motorrad zu fahren, die Bands auf dem Festival und und und…
Der Flug war also gebucht, alles andere drumherum auch organisiert. Fehlt nur noch mein Esta-Antrag zur visumfreien Einreise. Für unsere Zentralasien-Reise hatte und ich zwei Reisepässe. (Ja das geht. Wie erfährst du hier in Kürze). Natürlich war ich schlau genug, den USA-Flug mit dem Reisepass ohne Iran-Stempel zu buchen. Ich setze mich also vor den Rechner und fülle das Esta-Formular für die USA aus. Und erlebe eine böse Überraschung: Vor ein paar Monaten wurde die Frage aufgenommen, ob man seit März 2011 in folgenden Ländern war: Iran, Irak, Jemen, Lybien, Somalia, Syrien oder Sudan. Die Antwortmöglichkeiten sind „ja“ oder „nein“. So ein Mist. Wenn ich „nein“ ankreuze, lüge ich. Das kann ich nicht. Ich bekomm ja schon Herzrasen bei einer Fahrkartenkontrolle, obwohl ich einen gültigen Fahrschein besitze. Nicht auszudenken was passiert, wenn ich vor so einem US-Marshal stehe. Also kreuze ich ja an und fliege raus. Kein visumfreies Einreisen für mich. Das muss ich erstmal verdauen.
Am nächsten Tag mache ich mich auf der Seite der amerikanischen Botschaft schlau. Ein Touristenvisum kann man nur über deren Dienstleister beantragen. Das Online-Formular D-160 ist fünfmal so lang wie bei Esta, ich muss neben meinen persönlichen Daten, die Daten meiner Eltern angeben, von meinem Arbeitgeber, wie lange ich dort schon arbeite und was ich verdiene, die Adresse in den USA und eine Kontaktperson vor Ort. Wirklich absurd sind allerdings die Sicherheitsfragen, die natürlich jeder mit nein beantwortet. Z. B. Ob man Mitglied einer terroristischen Vereinigung ist, schonmal wegen Drogenbesitz oder Mord verurteilt wurde und mein trauriges Highlight: ob man schonmal einen Mann zu einer Vasektomie oder eine Frau zu einer Abtreibung gezwungen hat.
Zweimal fliege ich wegen Timeout aus dem Formular und muss von vorne beginnen. Ich hatte nicht gesehen, dass man jede Seite einzeln zwischenspeichern kann (also muss), und außerdem beim ersten Mal vergessen, meine Vorgangsnummer zu notieren. Eine Stunde später bin ich endlich mit dem Formular durch, habe mein digitales Passbild hochgeladen und die Info erhalten, dass mein Antrag eingegangen ist. Als nächsten möchte ich bitte 144€ überweisen, damit ich einen Termin für ein Interview in der Botschaft ausmachen kann. Wie bitte? 144€ für ein Visum für fünf Tage Aufenthalt in den USA? Und dann noch ein persönlicher Interview-Termin in der Botschaft? Und alles nur, weil ich im Iran war. Was für eine Farce.
Also überweise ich das Geld und bekomme die Terminvorschläge angezeigt. Der nächste freie Termin ist in genau einer Woche. Eine Woche später fliegen wir. Na hoffentlich geht sich das zeitlich aus.
Es ist der Tag des Interviews. Wie vorgeschrieben, stehe ich 15 Minuten vor Termin vor der Botschaft. Vor mir warten fünf weitere Personen. Ich habe die Bestätigungsseite des Formulars D-160 ausgedruckt bei mir, außerdem meinen Reisepass und Geldbeutel. Ansonsten nichts, denn man darf quasi nichts mit in die Botschaft nehmen, auch kein Handy! Wer daheim keinen Drucker hat, kann die Bestätigungsseite an einem Rechner in der Botschaft ausdrucken. Die Passkontrolle findet bereits draußen in der Schlange statt, dann darf ich durch den Scanner und die Sicherheitskontrolle und schließlich im Warteraum Platz nehmen. Es sieht ein bisschen aus wie beim KVR – nur nicht ganz so modern. Von zwei Schaltern ist einer geöffnet. Nach kurzer Wartezeit darf ich dort meine Fingerabdrücke abgeben sowie meinen Reisepass. Dann muss ich mich wieder setzen und warten. Insgesamt 45 Minuten (ich vermisse mein Handy), bevor ich mich in die Schlange stellen darf für das Interview. Über Lautsprecher wird man aufgerufen: „Next person waiting in the red line please come to window 5.“
Ein Mann sitzt hinter Glas.
Er: Hello, English oder German?
Ich: German.
Er: Ok, Fingerabdrücke der rechten Hand bitte. Warum brauchen Sie ein Visum?
Ich: Weil ich im Iran war.
Er: Warum waren Sie im Iran?
Ich: Ich bin mit dem Motorrad durchgefahren.
Er: Wie lange waren Sie im Iran?
Ich: 3 Wochen.
Er: Hatten Sie Kontakt zur Regierung?
Ich: Nein.
Er: Hatten Sie Kontakt zum Militär?
Ich: Nein.
Er: Was machen Sie in den USA?
Ich: Urlaub.
Er: Wie lange?
Ich: 5 Tage.
Er: Wo?
Ich: Los Angeles.
Er: Moto Beach Classic, aha. (Das hat das schlaue Kerlchen aus meinem D-160 Antrag, den er natürlich am Rechner vor sich hat). Was machen Sie in München?
Ich: Öhm, leben und arbeiten.
Er: (schmunzelt etwas. Ok, ich geben zu, meine Antwort war nicht besonders schlau.) Ja, und was arbeiten Sie?
Ich: Ich verkaufe Pralinen.
Er: Wirklich? Das ist ja toll. Wo denn? (Sein Gesicht entspannt sich deutlich)
Ich: Bei Chocolate & More am Viktualienmarkt. Kommen Sie halt mal vorbei, wir haben die besten Pralinen in München.
Er: (lacht) In Festanstellung? (Jetzt hat er mich… Ein Visum kann man nur mit einer festen Anstellung oder als Student beantragen. Man muss sogar das Datum angeben, seit wann man bei dem Arbeitgeber angestellt ist.)
Ich: Öhm, aktuell auf 450€, weil ich ja erst von meiner Reise zurückgekommen bin aber ab 1.11.2018 in Festanstellung, ja.
Er: (zieht eine Augenbraue hoch) In Ordnung, Visum ist genehmigt und kommt in den nächsten drei bis fünf Tagen per Post. Er wirft meinen Reisepass in eine gelbe Kiste zu den anderen und ich darf gehen.
Tatsächlich erhalte ich einen Tag später eine E-Mail von der Botschaft, dass mein Reisepass für den Versand fertig gemacht wird und am nächsten Tag schickt mir DHL die Trackingnummer. Wie vom Mann am Schalter versprochen, halte ich drei Tage nach meinem Interview meinen Reisepass mit dem USA-Visum in den Händen.
Ich hatte online das B2 Visum für Touristen beantragt, aber automatisch B1/B2 bekommen, das somit auch für berufliche Reisen gilt. Das Visum ist 10 Jahre gültig und ich darf mich insgesamt 180 Tage in den USA aufhalten -entweder am Stück oder gestückelt, da eine mehrfache Einreise erlaubt ist.