Von Popayan bis La Laguna de la Cocha sind es es gut 300 km. Berg rauf, Berg runter, Berg rauf, Berg runter meint Anita. Das bedeutet zum einen viele Kurven und zum anderen starke Temperaturwechsel. Von nebligen 13°C bis 33°C Sonnenschein ist heute alles dabei. Außerdem unglaublich viel Regen, der nie lange anhält aber dafür umso heftiger ist. So ist das eben im tropischen Regenwald.
Das erste Stück auf der berühmten Panamericana, die vom nördlichen Kolumbien bis nach Ushuhaia geht, macht keinen Spaß. Außer man steht auf den besonderen Adrenalinkick. Immer wieder überholen wir Trucks in der kurvigen Strecke. Anstrengend ist es vor allem dann, wenn um einen auch noch langsame Mopeds wuseln oder entgegen kommende Trucks nicht ihre eigene Spur halten und bedrohlich nah an einem vorbeirauschen. Immer wieder laufen Menschen mit Koffern am Straßenrand. Flüchtlinge aus Venezuela, die auf dem Weg nach Ecuador sind. Da Kolumbien kaum mehr Flüchtlinge aufnimmt, laufen sie so weit, bis sie eine neue Heimat und Arbeit finden. Und das kann schonmal im entfernten Ecuador sein. Von Caracas bis Quito sind es 2.500 km, nur um eine Vorstellung zu bekommen, welche Strecke diese Menschen zu Fuß zurücklegen. Oder sie hängen sich hinten an einen Truck, wie ich bei einem Überholvorgang mit Erschrecken feststellen musste.
Ich bin froh, als wir nach einer Stunde von der Hauptstraße abbiegen Richtung Osten. Diese Straße ist viel schmaler und es hat deutlich weniger Verkehr, das Fahren ist deutlich entspannter. Außerdem scheint endlich wieder die Sonne. Da macht Kurven jagen gleich viel mehr Spaß. Und was das hier für Kurven sind! Ich fahre mich mal wieder schwindelig. Erfreulicherweise ist in Kolumbien jede Kurve mit einem entsprechenden Schild ausgezeichnet. Es gibt hier Pfeile in alle Richtungen und in jeder nur denkbaren Form. Mein Lieblingspfeil ist ein umgedrehtes U. Das sind die fiesen 360°C Kurven, die zu machen und in die man sich nochmal extra reinlegen muss. Ich denke, der Kurvenbeschilderung widme ich einen eigenen Post.
Wir halten an einem kleinen Stand am Straßenrand an, um frischen Kumis zu probieren. Hilfe, das kenne ich aus Kirgisistan – das ist doch vergorene Stutenmilch! Anita erklärt, dass es sich bei dem Kumis hier um Joghurt aus Kuhmilch handelt. Und zwar gezuckert. Natürlich! Tatsächlich schmeckt der Kumis-Joghurt sehr gut und weil wir uns so nett mit dem Betreiber unterhalten, führt er uns hinter seinen Shop und den angrenzenden Schuppen und zeigt uns, wie Kumis hergestellt wird. Zum Glück habe ich das Szenario nicht gesehen, bevor ich den Joghurt gegessen habe. Hinter dem Schuppen sieht es wild aus, eine Frau sitzt zwischen allerlei Gerümpel auf dem Boden und rupft ein Huhn, daneben liegen weitere tote Hühner noch in vollem Federkleid. Unter einem Verschlag rührt eine Frau mit einem riesigen Holzlöffel in einem 50l Topf die kochende Milch. Daraus wird also Kumis. Der Betreiber sagt, ganz ohne Chemie. Bevor wir weiterfahren, möchte sich Fabian, der Nachbarsjunge noch auf unsere Mopeds setzen. Er wählt die KTM 1290, das größte Bike von allen. Cleverer junger Mann.
Ich tracke unsere Route mit Calimoto und blicke immer wieder auf die Höhenmeter. Der niedrigste Punkt lag bei 700 m, der höchste über 3.000 m. Insgesamt machen wir an diesem Tag über 11.000 Höhenmeter bis wir unser heutiges Ziel, Laguna de la Cocha erreichen. Der See und das dortige Hostal liegen auf 2.800 m. Wir beziehen Holz-Cabanas, die verteilt in der Natur mit Blick auf den See liegen. Es ist kühl und die Cabanas sind nicht beheizt. Wie so oft besteht die Bettwäsche aus mehreren Lagen verschiedener Decken. Gerade als ich einschlafen möchte, fängt es fürchterlich an zu schütten. Ich höre dem Regen noch kurz zu, dann siegt die Müdigkeit und ich schlafe eingekuschelt in fünf Decken ein.