Tag 2: Die erste Sightseeing-Tour

Ich habe hervorragend geschlafen, keine Spur von Jetlag. Zuerst begrüße ich die Hunde, dann gibts Waffeln und Trinkschokolade. Der Wetterbericht hat Regen vorhergesagt, aber es scheint die Sonne am wolkenlosen Himmel.

Für heute ist eine kleine Tour geplant, um uns einzufahren und an die kolumbianische Fahrweise zu gewöhnen. Mit dabei ist neben uns vier noch Fabio, Personal Trainer, auf einer Kawasaki Versus.

Die ersten Kilometer sind wir auf unbefestiger Straße unterwegs, die in einen kleinen Singletrail übergeht, bergauf, über eine Wiese und wieder zurück auf die unbefestigte Straße. Ich glaube Sergio fährt absichtlich kleine Offroad-Umwege für uns. Ein Umweg wird uns allerdings fast zum Verhängnis. Wir landen auf einer frisch betonierten Straße. Die Straße besteht aus zwei Reihen großer Steinplatten links und rechts, in der Mitte frischer Beton. Da links Metallteile liegen fährt Anita durch die Mitte, der Reifen dreht im nassen Beton durch und zerstört das Werk der Bauarbeiter, die erschrocken zu uns rübersehen. Zu allem Übel ist die Straße weiter oben mit allerhand Baumaterial vollgestellt, dass ich nur mit Hilfe von Fabio die Kathl daran vorbei manövrieren kann. Als Entschädigung kauft Anita den Bauarbeitern kalte Getränke am nächsten Kiosk.

Nach gut 20 km gelangen wir wieder auf eine Hauptstraße und wie sich herausstellt, ist der Verkehr hier für mich harmlos und nichts im Vergleich zu Teheran oder Istanbul. Ich komme ganz wunderbar im Stadtverkehr zurecht. Rollerfahrer, die mich rechts überholen oder mehrere gleichzeitig links und rechts stören mich schon lange nicht mehr.

Nach der nächsten Ortschaft geht es in die Berge, der Verkehr wird weniger, die Kurven dafür mehr. Wir halten an und genießen den Ausblick auf die vor uns liegende Ebene, durch die sich ein Gewässer zieht. In der Mitte steht ein riesen großer Fels, der Piedra del Peñol, eine der Sehenswürdigkeiten in Kolumbien. 700 Treppenstufen führen nach oben auf den Fels. Unser erstes Ziel heute.

Dort angekommen, parken wir die Bikes und trinken Wasser mit Zuckerrohrsirup, bevor wir die 700 Stufen in Angriff nehmen. Was bin ich froh, dass ich mich für meine bequemeren Daytona Boots entschieden habe anstatt der starren Enduroboots. Das macht das Erklimmen der Stufen deutlich leichter. Fabio, der Personaltrainer ist trotzdem 10 Minuten vor mir oben und vermutlich hat er sich noch nichtmal beeilt. Que pena!!!

Oben angekommen, werden wir mit einem herrlichen Blick auf die Stau-Seen von Represa de Guatape belohnt. Wie so oft hat das Schöne auch eine schlechte Seite: der Ort Peñol war ursprünglich dort, wo sich jetzt die Stauseen befinden. Er wurde nördlich von Guatape verlegt, damit diese Ebene geflutet und für Wasserkraftwerke genutzt werden kann.

Wir steigen die 700 Stufen wieder hinab und essen in einem Lokal in der Nähe zu Mittag. Ich bestelle Reis mit Ei, Salat, Patacon (frittierte Kochbanane) und ein Stück einer Monster-Avocado. Die Avocados sind hier größer als bei uns Papayas und die Papayas größer als Kürbisse! Ich weiß, dass Avocados ökologisch gesehen der Teufel sind, aber ich komme nicht von ihnen los.

Als nächstes steuern wir Guatape an, eine Stadt die berühmt ist für ihre bunten Hausreliefs. Hier treffe ich das erste Mal auf Touristinnen. Im Cafe sitzen fünf Mädels am Tisch neben uns. Eine hat Magenprobleme, die anderen raten ihr zu Tee oder Cola. Ja, das kenne ich, seit dem Mittagessen rumort es ordentlich bei mir. Keine Ahnung, ob es der Salat war oder das fettige Ei. Meine Ärztin in München, bei der ich mich gegen Gelbfieber geimpft habe, hatte mir geraten, zu jedem Essen entweder Rum oder Kaffee zu trinken. Beides regt die Produktion der Magensäure an und damit werden Bakterien besser abgetötet. Da Rum keine Option ist, bestelle ich Kaffee und hoffe, dass es hilft.

Wir machen uns auf den Rückweg und da ich nun doch geschafft bin, gehe ich für meine Verhältnisse relativ früh ins Bett. In voller Vorfreude auf den morgigen Tag, wenn wir unsere Reise Richtung Süden antreten.

Tag1: Buenos días Colombia!

Irgendwie ist es passiert, dass ich meinen Geburtstag nicht nur rein sondern auch raus gefeiert habe und so sitze ich
Sonntagabend, den 1. Dezember, völlig übermüdet und verkatert am Gate und warte auf das Boarding meines Avianca Flugs nach Bogota. 14,5 Stunden inkl. 1x Umsteigen erwarten mich.

Aber warum überhaupt Kolumbien?
Im Juni diesen Jahres lerne ich Sergio kennen. Er hat beim Enduro Action Team die internationale „Offroad-Instruktoren“ Ausbildung absolviert und uns alle nach Kolumbien eingeladen. Als kurze Zeit darauf klar war, dass ich aufgrund meines Jobwechsels den Dezember frei haben werde, mache ich sofort Nägel mit Köpfen und buche besagten Flug.

Ich lande morgens 7 Uhr in Medellin und werde von Sergio und seiner Freundin Anita herzlich empfangen. Sie wohnen etwas außerhalb in Carmen de Viboral. Dort betreiben sie ihren kleinen Enduropark und bieten Trainings und Touren an. Auf der Fahrt im Taxi erzählen sie mir, was in den nächsten drei Wochen alles geplant ist. Es wird Richtung Süden gehen, zum Amazonas. Wir werden dabei viele offroad Passagen fahren und kurvige Bergstraßen. Hier gibt es nämlich viele Berge meint Anita. Mein Herz hüpft. Mehr wollte ich nicht. Kolumbien hat Zugang zum Pazifik und Atlantik. Scheiß aufs Meer denke ich mir, ich will in die Berge!

Für mich haben sie – mein Herz hüpft ein zweites Mal – eine KTM 790 Adventure organisiert. Außerdem werden noch zwei weitere Fahrer dabei sein, die ich von der Ausbildung im Juni kenne. Erhan aus der Türkei und Hernan, auch aus Medellin und ein Freund von Sergio.

Nach einer knappen Stunde erreichen wir ihre Finca. Es ist genau wie ich es mir vorgestellt hatte: Wir laufen durch einen eingewachsenen, dschungelähnlichen Garten in ein Bungalow. An der Decke dunkle, schwere Holzbalken, rotbraune Fliesen auf dem Boden und in der Mitte vom Wohnzimmer eine große, offene Feuerstelle. Womit ich nicht gerechnet hatte sind die fünf Hunde, die plötzlich um uns herum wirbeln. Da ist von allem etwas dabei: zwei sehen aus wie Möpse, zwei wie Jagdhunde und dann ist da sowas wie ein Malamut, der hier allerdings denkt er wäre ein Schoßhund und versucht ständig, auf meinen Arm zu springen. Eigentlich sind es 7 Hunde, meinte Anita. Die beiden anderen sind irgendwo im Garten. Apropos Garten: Ich blicke nach draußen in eine parkähnliche Anlage mit saftiggrüner Wiese, Bäumen mit Früchten daran, die ich noch nie gesehen habe, Sträuchern, Blumen, Palmen, zwei Teichen mit einer kleinen Brücke, alte Holzbänke und eine kleine Schaukel. Dahinter weit entfernt erhebt sich eine Bergkette. Ich glaube ich habe das Paradies gefunden.

Hinter dem Garten befindet sich ihr Enduropark Endurolandia meint Sergio und wir laufen los – gefolgt von drei Hunden. Der Enduropark ist nicht groß, aber er hat es in sich: Sergio hat alles selbst angelegt: Passagen mit Schotter, einen Geschicklichkeitsparcour, eine Wasserdurchfart mitten in einem Waldstück, Auf- und Abfahrten an Hügeln und einen Bereich für die Offroad-Neulinge.

Zurück im Haus macht Sergio für uns drei Frühstück. Waffeln mit frischen Früchten und dazu: Trinkschokolade. Er schmilzt ein Stück echte Schokolade mit 100% Kakao in einer Alukanne, dazu ein braunes Stück karamellisterter Zucker, giesst das ganze mit Wasser auf und zum Schluss wird mit dem Holzquirl so lange gerührt, bis die Schokolade ordentlich schäumt. Ich bin keine 2 Stunden in Kolumbien und bekomme DAS kulinarische Highlight für mich vorgesetzt: die echte kolumbianische Trinkschokolade. Und sie schmeckt köstlich.

Gerade als ich fertig bin, kommen Erhan und Hernan an. Wir wollen den heutigen Tag noch für ein paar Erledigungen nutzen und so packen Erhan und ich schnell unsere Koffer aus, werfen uns direkt in die Fahrerklamotte und stehen kurze Zeit später freudig vor unseren Bikes. Die 790 sieht aus wie meine, nur hat sie das normale, hohe Windschild drauf und einen anderen Reifen: den TKC 80. Oh je, ich hab bisher nicht nur Gutes von dem Reifen gehört. Der soll gerade bei Nässe rutschig sein. Aber ansonsten bin ich überglücklich, wieder mit der 790 vereint zu sein. Ich nenne diese hier wie meine daheim Kathl. Der Einfachheit halber.

Wir fahren nach Rio Negro, dort tausche ich Geld, kaufe eine SIM Karte mit 6GB für 15 € und wir essen zu Mittag. Vegane Bowl nach mexikanischer Art. Zum Nachtisch gibts Schokoküchlein. Auf meinem brennt eine Kerze – nachträglich zum Geburtstag. Wie süß!

Zurück bei Endurolandia kommen Hernan und seine Frau Sandra vorbei. Sie haben ein Stück Rindfleisch mitgebracht, das sie dick mit Salz bedecken und dann im Wohnzimmer ins offene Feuer legen. Daneben eine komplette Ananas (ohne Strunk). Während beide vor sich hin gart, essen wir Arepas mit Guacamole.

Also kulinarisch hab ich mich bereits jetzt schon verliebt in dieses Land.