Die Terrassen Badab-e Surt

Es hilft nichts, wir müssen ein Stück auf der Hauptstraße am Kaspischen Meer entlang bevor wir nach einer knappen Stunde bei Sari Richtung Berge abbiegen. Die Strecke, die Roland ausgesucht hat, ist ein Traum. Wir durchqueren wieder ein Gebirge auf perfektem Asphalt. Damghan ist heute unser Ziel, vorher möchten wir uns die Badab-e Surt Terrassen ansehen. Die terrassenförmigen Mineralquellen liegen etwas erhöht und sind nur über einen Offroad-Track erreichbar. In unserem Reiseführer steht, man muss die letzten 1,5km zu Fuß gehen und als wir an der Abzweigung stehen, kommen uns tatsächlich Fußgänger entgegen.

Die Straße ist steil, sandig und von Schlaglöchern durchzogen. Trotzdem fahren wir hoch. Roland fährt los und ich mit Schwung hinterher. Was ich nicht bedacht habe: Roland wirbelt so viel Sand und Staub auf, dass ich nach ein paar Sekunden nichts mehr sehe und anstatt anzuhalten, gebe ich Gas. Ich spüre, wie ich mehrmals mit Zicki mit voller Wucht auf dem Boden aufsetze, dann verliere ich die Kontrolle und stürze. Als sich die Staubwolke legt, sehe ich, dass ich mit einem Affenzahn über mehrere Buckel gefahren bin. Schön blöd. Roland hilft mir beim Aufstellen und jetzt fahre ich vor. Langsam und vorsichtig.
Es ist bereits später Nachmittag und die Sonne taucht die Landschaft in ein fantastisches Licht. Die Terrassen schimmern in verschiedenen Rottönen, die Berge rundherum gelb-orange und der Himmel ist Knallblau. Was für ein Farbenspiel.
Auf dem Weg nach unten habe ich Mühe, nicht zu schnell zu werden, das viele Gewicht schiebt Zicki und mich ganz schön nach unten. Wir schaffen es ohne Sturz nach unten und fahren weitere 20km auf einer schönen Offroad-Strecke, die sich am Berg entlang windet zurück zur Hauptstraße und von dort weiter Richtung Süd-Osten. Bis Damghan sind wir umringt von Bergen. Diese Route war ein wichtiger Teil der Seidenstraße und ich kann nur hoffen, dass die Menschen damals den Anblick der Berge genauso genießen konnten, wie ich jetzt.

Die letzten Tage im Iran machen es einem wirklich sehr schwer, weiter zu reisen. Aber in zwei Tagen, am 13.7., beginnt unser 5-tägiges Transitvisum für Turkmenistan. Einziges Problem: Wir haben es noch nicht. Beantragt im Mai, hat die Genehmigung bis letzte Woche gedauert. Wir haben dafür extra einen Zweitpass beantragt und die Visa-Agentur hat den Pass inklusive Visum vor ein paar Tagen per Express nach Mashhad geschickt und ich prüfe jeden Abend den Sendungsstatus. Aktuell ist es in Dubai. In unserer Unterkunft in Damghan treffen wir ein Paar aus Frankreich, die auf einer GS die gleiche Tour fahren wie wir. Allerdings in der Hälfte der Zeit. Und sie haben das gleiche Problem, warten auch seit Wochen auf ihr Visum. So richtig Vorfreude auf dieses komplizierte Turkmenistan kommt bei uns noch nicht auf.

Der erste Offroad-Tag.

Was gestern Abend bei unserer Ankunft noch wie eine kleine, ruhige Seitenstraße aussieht, entpuppt sich heute Morgen als offensichtliches Zentrum des Dorfes. Unsere Bikes sind eingeparkt von einem Traktor, einem Moped und Waschkörben voll mit weißen Klumpen  – ich schätze eine Art Käse. Überall wuseln Menschen, es ist laut und geschäftig. Mit meinen schweren Taschen in der Hand stehe ich leicht verzweifelt auf dem Bürgersteig. Der Besitzer vom Laden neben unserem Hotel erkennt das Dilemma und bittet den Fahrer des Mopeds wegzufahren, das so nah an Rolands nineT steht, als wolle es mit ihr kuscheln. Nun kann Roland zumindest sein Bike manövrieren und dann meines soweit weg von den weißen Klumpen, dass auch ich aufpacken kann.

Die heutige Etappe hat es in sich. Kilometermäßig und auch landschaftlich. Wir bewegen uns ausschließlich durch die pontischen Berge weiter Richtung Süden, nach Malatya. Teils auf Asphalt, teils auf Offroad Tracks. Es ist das erste Mal, dass ich so voll beladen auf losem Untergrund unterwegs bin. Und es klappt gut! Ich spüre das Gewicht fahrtechnisch gar nicht, merke lediglich, dass bei den sehr steilen Passagen ein paar PS mehr ganz nett wären.  Es ist heiß und die Fahrt anstrengend, was bin ich froh, dass ich mich für einen Camelbak entschieden habe. Die 1,5l sind im Nu leer und ich fülle Wasser aus meiner Alu-Trinkflasche um.

Wir bewegen uns nun schon eine ganze Weile durch die Berge, ohne eine Spur von Zivilisation. Der Blick auf die umliegenden Berge ist atemberaubend. Immer wieder bleiben wir stehen, machen Fotos und bestaunen das Farbenspiel der Natur. Es gibt graue, stark zerklüftete Felswände, ein Stückchen weiter sind die Berge glatt und mit einem feinem roten Sand bedeckt, wir fahren durch grüne Vegetation und dann wieder durch eine karge steinwüstenähnliche Landschaft.

Irgendwann erreichen wir ein kleines Bergdorf. In der Mitte des Dorfplatzes steht ein Brunnen, daneben ein großer Baum und in seinem Schatten eine Bank. Perfekt für eine Pause. Wir halten an und es dauert nicht lange, bis aus dem kleinen Dorf, das aus maximal 10 Häusern besteht, zuerst ein alter Mann, dann noch einer, dann Kinder zu uns kommen. Als würden wir uns schon seit ewigen Zeiten kennen, geben uns die alten Männer die Hand, und murmeln durch den fast zahnlosen Mund „Merhaba“, was Guten Tag heißt. Und dann reden sie weiter. Gucken uns an und reden auf uns ein. „Almanya“ sage ich, damit sie kapieren, dass wir kein Türkisch sprechen. Egal, sie reden weiter, freundlich und langsam aber trotzdem verstehe ich kein Wort. Irgendwann holt Roland die Straßenkarte und zeigt auf den Ort Malatya. Es fallen die Worte „Autobahn“ und als wir nicken um wenigstens irgendwie an dem Gespräch teilzunehmen, wirken sie erleichtert. Sie rufen einen jungen Mann und wie sich herausstellt, soll er uns zur Hauptstraße bringen. Was wir ja eigentlich gar nicht wollen, wir haben ja unseren Track. Aber wir haben keine Chance. Der junge Mann holt sein Moped, wir verabschieden uns von den anderen und fahren los.

Nach knapp 10km sind wir auf der Hauptstraße – wir bedanken uns und er möchte noch ein Selfie machen. Wir fahren ein kurzes Stück auf der Straße und biegen sobald es möglich ist, wieder ab in die Berge.

Kurz vor Malatya kommen wir in unsere erste Militärkontrolle. Es stehen ca. 8 Soldaten um uns herum, außerdem ein paar Zivilisten und Kinder. Eine komische Gruppe, denke ich mir. Ich habe hinter Roland angehalten und gebe meinen Führerschein und Personalausweis einem Soldaten und er geht damit vor zu Roland. Beide reden irgendwas und der Soldat zeigt zuerst auf meinen Führerschein und dann auf mich und sagt „No Motorcycle“. Gut vorbereitet wie ich bin, hole ich meinen internationalen Führerschein heraus, setze meinen Helm ab und gehe vor. Ich sehe, dass bei A1 kein Datum ist, sondern nur ein Stern als Verweis zu der Stelle, wo das Datum nachträglich eingetragen ist. Und dieses Datum wurde auf einem Aufkleber notiert, ist aber kaum noch lesbar. Er akzeptiert zum Glück meinen internationalen Führerschein, lächelt uns an und wir dürfen weiterfahren.

Es ist bereits dunkel als wir in Malatya ankommen. An einer Tankstelle halten wir an und ich frage zwei junge Türken nach einem Hotel. Einer sagt sofort Hilton, ich winke ab und mache das internationale Zeichen für zu teuer. Dann ruft er in einem Hotel an und macht uns ein Zimmer klar. Er redet die ganze Zeit türkisch, untermalt von Handzeichen und ich „höre“ raus, dass es ein Doppelzimmer mit Frühstück ist. Sein Freund holt ein Bündel Geld raus und zählt 150 Lira (keine 30€) ab. Der Preis passt und ich gebe das Hotel im Navi ein.