Die Oasenstadt Samarkand

Von Buchara nach Samarkand sind es nur 250 km. Sowas fahre ich mittlerweile im Schlaf.

Wir erreichen nachmittags das Minora Guesthouse. Es liegt 5 Minuten zu Fuß vom Registan entfernt – Samarkands wichtigster Sehenswürdigkeit – und hat einen sehr schönen Innenhof. Ansonsten ist es eher mittelmäßig, die Zimmer sind alt und abgewohnt, das Wifi geht nicht (Drama Drama) und aus der Dusche kommen nur ein paar Tropfen. Für 32$ überteuert, finden wir. Campen aber geht direkt in Samarkand leider nicht. Egal, wir sind hier um die Stadt zu sehen, ärgern uns nicht weiter und starten nach dem Check-in unsere Sightseeing Tour. Mal wieder eine Moschee und ein Basar, hier kaufen wir Walnüsse, gebrannte Mandeln mit Sesam und trinken einen frischen Brombeersaft.

Anschließend essen wir im Labi Chor, einem Restaurant direkt neben dem Registan. Roland hat Manti, gefüllte Teigtaschen und ich eine Nudelsuppe mit viel Gemüse (aus der vermutlich vorher die Fleischstückchen heraus gefischt wurden, aber das ist mir egal). Dazu zwei Bier und wir liegen satt und zufrieden auf dem Sitzpodest.

Auf dem Rückweg laufen wir am wundervoll beleuchteten Registan vorbei. Von einer Terrasse aus hat man einen tollen Blick auf den Platz und unzählige Touristen machen hier Selfies. Es ist Samstagabend und wie wir es bereits aus anderen Städten Zentralasiens kennen, sind viele Familien mit Kindern unterwegs. Die kleinen Kinder fahren in den blinkenden und lärmenden Elektroautos durch die Fußgängerzone, die größeren Kids fahren Rad oder Rollschuh. Es werden gegrillte Maiskolben, frisches Fladenbrot und in große Rechtecke geschnittene Zuckerwatte verkauft, die silbernen Tabletts von geschäftigen Teenager-Jungs durch die Menschenmenge jongliert wird.

Zurück im Guesthouse spricht uns ein anderer Gast auf Deutsch an. Er heißt Khalid, ist aus Masser-e Sharif, Afghanistan, und mit seiner Familie hier, d.h. seinen Eltern und seinen vier Geschwistern. Vor vier Jahren ist er als Teenager mit einem seiner Brüder zu Fuß aus Afghanistan nach Deutschland geflohen. Beide leben inzwischen in Bremen. Khalid macht eine Ausbildung zum Betonbauer, sein Bruder geht aufs Gymnasium und macht bald Abitur. Da sie nicht mehr in ihre Heimat einreisen dürfen, haben sie ihre Familie nach vier Jahren das erste Mal wieder hier in Samarkand getroffen. Ich frage nicht weiter nach Details ihrer Flucht – ich erkenne an seinem Verhalten, dass er nicht darüber sprechen möchte. Wichtig ist, dass beide am Leben sind, sich wohl fühlen in Deutschland und dort eine Zukunft gefunden haben. Insgesamt hat die Familie vier Wochen in Samarkand verbracht, bevor die beiden Jungs in zwei Tagen wieder nach Deutschland fliegen. Bis sie sich wiedersehen, werden wieder ein paar Jahre vergehen.

Von Tajikistan aus, wo wir in 2 Tagen sein werden, kann man nach Afghanistan einreisen. Wir hatten uns das kurz überlegt. Die Versuchung ist groß, wenn man quasi direkt ums Eck ist. Das Visum ist teuer, 250$ so weit ich weiß, und Khalids Vater rät uns dringend davon ab. Die aktuelle Regierung ist zu schwach, den Norden und Süden zu vereinen und daher „regieren“ mehr oder weniger die Stämme in Afghanistan. Der Norden möchte sich gern abspalten, was dem südlichen Teil Afghanistans nicht gefällt. Deswegen ist der IS momentan wieder sehr aktiv, sagt er. Zu der Zeit wussten wir noch nicht, wie recht er damit hat.

Die Terrassen Badab-e Surt

Es hilft nichts, wir müssen ein Stück auf der Hauptstraße am Kaspischen Meer entlang bevor wir nach einer knappen Stunde bei Sari Richtung Berge abbiegen. Die Strecke, die Roland ausgesucht hat, ist ein Traum. Wir durchqueren wieder ein Gebirge auf perfektem Asphalt. Damghan ist heute unser Ziel, vorher möchten wir uns die Badab-e Surt Terrassen ansehen. Die terrassenförmigen Mineralquellen liegen etwas erhöht und sind nur über einen Offroad-Track erreichbar. In unserem Reiseführer steht, man muss die letzten 1,5km zu Fuß gehen und als wir an der Abzweigung stehen, kommen uns tatsächlich Fußgänger entgegen.

Die Straße ist steil, sandig und von Schlaglöchern durchzogen. Trotzdem fahren wir hoch. Roland fährt los und ich mit Schwung hinterher. Was ich nicht bedacht habe: Roland wirbelt so viel Sand und Staub auf, dass ich nach ein paar Sekunden nichts mehr sehe und anstatt anzuhalten, gebe ich Gas. Ich spüre, wie ich mehrmals mit Zicki mit voller Wucht auf dem Boden aufsetze, dann verliere ich die Kontrolle und stürze. Als sich die Staubwolke legt, sehe ich, dass ich mit einem Affenzahn über mehrere Buckel gefahren bin. Schön blöd. Roland hilft mir beim Aufstellen und jetzt fahre ich vor. Langsam und vorsichtig.
Es ist bereits später Nachmittag und die Sonne taucht die Landschaft in ein fantastisches Licht. Die Terrassen schimmern in verschiedenen Rottönen, die Berge rundherum gelb-orange und der Himmel ist Knallblau. Was für ein Farbenspiel.
Auf dem Weg nach unten habe ich Mühe, nicht zu schnell zu werden, das viele Gewicht schiebt Zicki und mich ganz schön nach unten. Wir schaffen es ohne Sturz nach unten und fahren weitere 20km auf einer schönen Offroad-Strecke, die sich am Berg entlang windet zurück zur Hauptstraße und von dort weiter Richtung Süd-Osten. Bis Damghan sind wir umringt von Bergen. Diese Route war ein wichtiger Teil der Seidenstraße und ich kann nur hoffen, dass die Menschen damals den Anblick der Berge genauso genießen konnten, wie ich jetzt.

Die letzten Tage im Iran machen es einem wirklich sehr schwer, weiter zu reisen. Aber in zwei Tagen, am 13.7., beginnt unser 5-tägiges Transitvisum für Turkmenistan. Einziges Problem: Wir haben es noch nicht. Beantragt im Mai, hat die Genehmigung bis letzte Woche gedauert. Wir haben dafür extra einen Zweitpass beantragt und die Visa-Agentur hat den Pass inklusive Visum vor ein paar Tagen per Express nach Mashhad geschickt und ich prüfe jeden Abend den Sendungsstatus. Aktuell ist es in Dubai. In unserer Unterkunft in Damghan treffen wir ein Paar aus Frankreich, die auf einer GS die gleiche Tour fahren wie wir. Allerdings in der Hälfte der Zeit. Und sie haben das gleiche Problem, warten auch seit Wochen auf ihr Visum. So richtig Vorfreude auf dieses komplizierte Turkmenistan kommt bei uns noch nicht auf.

Tehran, du schaffst mich.

Warum Tehran? Wir wollen dort gar nicht hin, auf keinen Fall in die Großstadt. Warum Tehran trotzdem heute unser Ziel ist: Roland hatte Sorgen, dass ihm sein Hinterreifen nicht bis zum Pamir Highway in Tadschikistan hält und so haben wir die letzten Tage versucht, einen Reifen irgendwo zwischen Iran und Tadschikistan aufzutreiben. Was vor allem im Iran schwierig ist, da es hier gar keine großen Motorräder gibt. Maximal 250 ccm sind erlaubt, größere Bikes sind verboten und Frauen dürfen hier übrigens gar nicht Motorrad fahren. Touristinnen schon. Das nur nebenbei. Roland ist es also gelungen, über zwölf Ecken einen Reifen – wenn auch mit Straßenprofil – zu organisieren. Am Ende half uns ein Maserati Händler. Von ihm haben wir eine Adressemitten in Tehran erhalten, wo wir den Reifen abholen können.

Aber noch sind wir Kashan und das wollen wir uns ansehen. Wir stehen früh auf und sind um halb 10 auf dem Basar. Zu früh, denn die Iraner sind wohl Langschläfer. Nicht mal die Hälfte der Geschäfte hat geöffnet. Das Besondere an diesem Basar ist aber ohenhin das Gebäude selbst. Es stammt aus dem 19. Jahrhundert, hat wunderschön verzierte Timche-Kuppeldächer, Fenster und Türen. Man sieht dem Basar sein Alter deutlich an, nichts ist restauriert, und das macht die Atomsphäre hier umso orientalischer und schöner.

Auf dem Heimweg liegt die Mosche Aqa Bozorg aus dem Jahr 1840. Uns gefällt die klare Architektur, alles sieht so symmetrisch aus und ist wunderbar erhalten, auch der florale, bunte Fliesenschmuck. Wir sind ganz alleine und nehmen uns Zeit, die Mosche und den versenkten Innenhof aus jedem Winkel zu betrachten.

Zurück im Hostel beladen wir unsere Bikes in der engen Gasse und fahren los Richtung Tehran. Keine Stunde später machen wir die erste Pause in der Stadt Qom, ich steuere geradewegs in den überdachten Basar, da ich wie auch schon am Tag zuvor die starke Mittagssonne nicht vertrage und dringend Schatten brauche. Wir stellen unsere Bikes neben einem Gemüsestand unter den nuegierigen Blicken der Händler ab. Schon läuft der erste Iraner zu uns herüber und überreicht mir eine Flasche eiskalte Traubenschorle. Ich würde ihn am liebsten abknutschen. Darf ich aber nicht.

Ich hole Roland und mir ein Sandwich und nach einer kurzen Verschnaufpause fahren wir weiter. Es hat auch heute wieder 45°C und es sind noch über 100km bis Tehran. Aber viel schlimmer als der Weg dorthin ist Tehran selbst. Wir finden uns in diesem Strassenwirrwarr nicht zurecht. Und das Navi auch nicht. Ständig müssen wir umdrehen oder Schleifen drehen. Der Verkehr hier ist der absolute Horror, die Mopeds fahren kreuz und quer in alle Richtungen. Busse, Autos, keiner hält die Spur. Alle hupen, drängeln, keiner achtet auf den anderen. Ich hatte mich recht schnell an die Fahrweise der Iraner gewöhnt, aber Tehran ist anders. Meine Nerven liegen blank. Wir halten an und ich frage verzweifelt einen Passanten, ob er uns helfen kann. Ein Bekannter von ihm auf einem Roller bietet sich an, uns zum Reifenladen zu begleiten. Er fährt voraus und nach weiteren schweißtreibenden 15 Minuten in Tehrans Stadtverkehr erreichen wir den Laden, bzw. die Reifen-Einkaufsmeile. Denn wir befinden uns einer kleinen Straße, in der sich ein Reifen- bzw. Felgen-Geschäft an das nächste reiht. Entsprechend ist das Publikum. Am Ende der Straße parken zwei weiße Porsche Cayenne. Außer mir ist keine Frau zu sehen. Roland und ich parken unsere Motorräder neben einem Felgen-Geschäft. Sofort sind wir umringt von Männern. Auch als Roland losgeht und nach seiner Kontaktperson sucht, bleiben einige neugierige Männer in meiner Nähe stehen, begutachten mich und unsere Motorräder. Es dauert nicht lange bis Roland wieder zurück kommt, hinter ihm ein junger, tätowierter Iraner. Als er Roland den Reifen übergibt, schaut Roland zu mir rüber, fängt an zu grinsen und hebt den Reifen triumphierend in die Höhe. Jetzt muss das Ding nur noch auf Rolands nineT. Die Iraner sehen neugierig dabei zu, wie Roland auf den zwei Gepäckrollen auch noch den Reifen montiert. Funktioniert nicht. So bleibt ihm kein Platz zum Sitzen. Also baut Roland das gesamte Gepäck ab und platziert den Reifen zwischenden beiden Rollen. Auch nicht ideal, aber zumindest hat Roland genug Platz zum Sitzen und es ist alles soweit sicher verzurrt, dass wir losfahren können.

Unsere letzte Station für heute ist unser Hostel. Es liegt sehr zentral aber zum Glück ein einer ruhigen Seitenstraße. Die Zimmer sind modern, aber der Innenhof ist sehr traditionell gestaltet, mit Sitzpodesten und einem kleinen Wasserlauf in der Mitte des Gartens. Es sind viele junge, Backpacker hier, vor allem aus Frankreich und Holland. Die Gemeinschaftsküche ist groß und top eingerichtet und so beschließen wir, nicht mehr rauszugehen sondern hier zu kochen. Während wir Pasta im Garten essen, planen wir die Route für morgen. Es soll so schnell wie möglich raus aus der Stadt gehen in die Berge ins Alamut Tal.

Du wundervolles Yazd

Wir treffen endlich zwei Deutsche! Carlo und Felix aus Berlin sind ebenfalls im Silk Road Hotel abgestiegen. Sie machen quasi den gleichen Roadtrip wie wir, allerdings als Backpacker und haben super viel Tipps für uns, was wir uns im Iran aber auch Georgien und Armenien ansehen sollen bzw. welche Pässe und Straßen sich lohnen. Sie sind seit sieben Wochen unterwegs, viel mit Bus, Zug oder sie trampen und haben lediglich 8kg Gepäck dabei. Beeindruckend wie sehr man sich reduzieren kann, wenn man alles selber tragen muss und denke dabei an meine vollgepackte Zicki.

Wir lassen die Bikes heute stehen und erkunden Yazd zu Fuß. Im Iran beginnt die Arbeitswoche am Samstag und geht bis Donnerstag. Und da heute Freitag ist, also im Iran Sonntag, ist die Stadt so gut wie ausgestorben. Die engen Straßen und Gässchen sind menschenleer, es sind keine Kinder auf den Spielplätzen und wir hören auch kein Mopedgeräusch. Erst als wir auf die Hauptstraße kommen, ist etwas Leben in der Stadt.

Unsere erste Station ist der zarathustrische Feuertempel, der meiner Meinung nach nichts mit einem „Tempel“ zu tun hat. Es handelt sich um eine Villa, wie sie auch in Grünwald stehen könnte. Über dem Eingang ist das Symbol der Zarathustrier, ein Mann mit Flügeln und Ring in der Mitte. Jedes Element hat eine Bedeutung, mehr dazu in der Fotogalerie. In dem Feuertempel, der 1934 gebaut wurde, brennt angeblich ein Feuer, das bereits 500 n. Chr. gebrannt hat und im 12. Jahrhundert über Arkadan nach Yazd kam. In dem dazugehörigen kleinen Museum wird man über den Glauben der Zarathustrier informiert. In Yazd leben über 3.500 Anhänger dieses Glaubens, noch mehr Zarathustrier gibt es in Teheran.

Wir schlendern weiter durch die Stadt, machen eine kurze Pause am Amir-Chaqmaq-Platz und sehen uns danach mehrere Moscheen an wobei mir die Imamzadeh Jafar Mosche besonders gefällt. Jeder Raum, jeder Gang ist innen komplett mit Spiegeln und buntem Fliesendekor verkleidet. Ich komme aus dem Staunen nicht raus. Als ich den Bereich für die Frauen betrete, da ich mir den herrlichen Kronleuchter näher ansehen möchte, kommt ein ältere Dame auf mich zu zeigt mir, wie man an der Grabstätte des Abu Jafar richtig betet. Sie streift mit ihren Hände über die goldenen Gitterstäbe und dann über ihr Gesicht. Ich tue es ihr gleich, zwei-, dreimal, aber als sie dann die Gitterstäbe küsst wird es mir zu viel und ich ziehe mich zurück.

Als nächstes laufen wir 30 Minuten zum Dolatabad-Garten, den wir dann aber gar nicht besichtigen, weil uns 200.000 Rial/Person (also etwas über 2€) für einen Garten zu teuer sind. Den gleichen Eintrittspreis haben wir in Persepolis bezahlt. Während Roland die nächste Sehenswürdigkeit raussucht, mache ich ein kurzes Nickerchen an die Häuserwand gelehnt. Nichts Außergewöhnliches hier. Die Iraner schlafen überall – in öffentlichen Gärten, im Kreisverkehr, in den Hotel-Restaurants und in den Moscheen sowieso.

Als nächstes gehen wir zum Art House, von dessen Terrasse man einen großartigen Blick über die Stadt hat. Die braunen Lehmhäuser, die oft nicht mehr als zwei oder drei Stockwerke hoch sind, werden überragt von den vielen Windtürme für die Yazd berühmt ist. Durch geschickte Bauweise wird der Wind in das Innere der Häuser geleitet und kühlt so die Räume.

Ein totaler Reinfall ist die „Kampfshow“ sowie das Alexander Gefängnis. Deswegen gehe ich gar nicht näher darauf ein.

Zurück im Hotel treffen wir wieder Carlo und Felix und Roland sieht sich zusammen mit ihnen die Viertelfinalspiele an. Mich holt währenddessen quasi die Agentur-Arbeit ein. Ich werde von einem Iraner gebeten, für ihn einen Flugzettel von Englisch auf Deutsch zu übersetzen. Er bietet eine Tagestour für Touristen an und meint, ich darf seinen englischen Text gern verbessern, wenn es dann eine bessere Werbung für ihn ist. Aber bitte nicht zu viel Text, die Touristen wollen nicht so viel lesen, nur das Wichtigste in maximal drei Sätzen. Alles klar. Ich setze mich hin, recherchiere, stimme mich mit ihm ab, tippe in meinen Laptop und berate ihn dann auch noch bei der Preiskalkulation. Wer ko, der ko!