Sightseeing in Esfahan

Wir sitzen um 9.10 auf den Bikes – unsere persönliche Bestzeit bisher. Für den Vormittag haben wir uns ein paar Hotspots rund um Esfahan ausgesucht: Eine Moschee von 1325, Taubentürme und eine Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert sowie Sanddünen – insgesamt eine Ausfahrt von knapp 300 km.

Es ist diesig, was dieses Mal nicht am Smog wie in Kermanshah liegt sondern am Sand, den der Wind durch die Luft wirbelt. Hin und wieder sehen wir kleine Sandstürme über die Felder huschen, sich zu einem Mini-Tornado auftürmen und kurz darauf wieder auflösen.

Die Moschee kann man leider nicht besichtigen, also machen wir Fotos von der Straße aus. In die Karawanserei allerdings können wir mit unseren Offroad Bikes direkt hineinfahren – wir haben uns vorher versichert, dass außer uns niemand hier ist. Wir parken unsere Bikes dort, wo vor mehreren hundert Jahren Reisende der Seidenstraße Unterschlupf fanden und ihre Tiere versorgt haben. Da wir alleine sind, erlaube ich mir Kopftuch und Jacke abzunehmen und wir machen ein paar Fotos.

Auf der Weiterfahrt überqueren wir das ausgetrocknete Flussbecken des Zayandehrud, das ist der gleiche Fluss der auch durch Esfahan fließt – wenn er Wasser hat. Wir biegen von der Straße ab und fahren eine unbefestigte Straße entlang zu den Taubentürmen. Wie der Name schon sagt, nisteten hier früher Tauben und die Perser haben deren Kot als Dünger und für die Lederbearbeitung verwendet. Ein kurzes Foto, dann fahren wir weiter zu den Sanddünen.

Und jetzt beginnt der Wahnsinn. Sand und ich waren noch nie Freunde. Während Roland mit der nineT durch die Düne pflügt und offensichtlich großen Spaß hat, kämpfe ich mich fluchend Stück für Stück durch den Sand. Und falle mehrmals. In der Theorie weiß ich wie man im Sand fährt, aber in der Praxis klappt das bei mir nie. Das Bike macht was es will, schwimmt hin und her, der Lenker ist längst außer Kontrolle und ich laufe mit beiden Füßen mit. Lediglich das Eingraben funktioniert prima.
Wir lassen die Bikes stehen und laufen eine Düne nach oben. Es ist heiß und immer wieder weht ein kräftiger Wind, der mir den Sand ins Gesicht weht. Genauso habe ich mir die Reise entlang der Seidenstraße vorgestellt.

Den Rückweg fahren wir in einem Zug und sind nachmittags wieder im Hotel. Wir ziehen uns um und gehen auf den Imam-Platz, der 1602 entstand und zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Der Platz misst 510×160 Meter und nur der Tiananmen Platz in Peking ist größer. Zuerst besichtigen wir den Basar und ich habe große Mühen, Roland davon abzuhalten, irgendwas aus Kupfer zu kaufen. „Einen Schöpflöffel haben wir ja nicht dabei“ meint Roland. Ich sage NEIN, auch zum Milchkännchen und zur Tasse.

Wir genehmigen uns ein Eis, sitzen auf einer Bank im Schatten und lesen aus dem Reiseführer. Den Eingang des Basars ziert unter anderem das Symbol der Stadt Isfahan: Das Tierkreiszeichen Schütze, eingearbeitet als Fliesenmosaik. Roland und ich sind Schütze und so bilden wir uns ein bisschen was darauf ein, dass unser Sternzeichen rechts und links über dem Portal zu sehen ist.

Die Imam-Moschee am südlichen Ende gefällt uns besonders gut. Die Mosaike sind wunderschön und sehr gut erhalten. Beeindruckend ist die 54m hohe Gebetshalle mit der riesen Kuppel und einer großartigen Akustik. Sagt man was direkt mittig unter der Kuppel, wird die Stimme im Echo verstärkt aber außerhalb der Kuppel hört man nichts.

Um 20 Uhr sind wir wieder im Hotel und bereiten die nächsten Tage vor. Unter anderem versuchen wir, für Rolands nineT einen Hinterreifen zu organisieren – entweder noch im Iran, z.B. Teheran oder Usbekistan. Mehr als 4.000km macht der Reifen nämlich nicht mehr mit…

Ali Sadr: Die schönste Höhle der Welt

Wir starten den Tag gemütlich, mit einem langen und ausgiebigen Frühstück in unserer schattigen Sitzecke. Der Springbrunnen plätschert vor sich hin und ich genieße die Abgeschiedenheit und damit auch die Freiheit, so angezogen zu sein wie ich möchte. Und es in meinen Augen bei 35°C im Schatten angebracht ist.  Die beiden Töchter sind auch schon wach und suchen den Kontakt. Die iranische Schule geht erst am 23. September wieder los und daher besuchen viele Kinder – wenn es sich die Eltern leisten können – diverse Sommerschulen. Die beiden haben Klavier-Unterricht, lernen Englisch und Französisch. Sie haben keine Scheu, sich mit uns auf Englisch zu unterhalten und stellen uns viele Fragen. Geduldig antworten wir, während wir die zweite Runde Kaffee genießen. Dann müssen sie los zum Französisch-Unterricht. Und wir machen uns fertig für die Fahrt zur Ali Sadr Höhle, die ca. 60 km entfernt liegt.

Wir stellen unsere Bikes auf dem Parkplatz ab, machen Helme und Jacken an den Bikes fest und laufen 15 Minuten durch ein Wirrwarr aus Souvenier-Läden, Restaurants und Kindern-Karussells bis wir endlich am Ticket-Schalter ankommen. „Price Ali Sadr Cave for foreigners: 750.000 Rial“ steht auf dem Schild über dem Kassierer. Je nach Wechselkurs sind das zwischen 7€ und 10€. Halleluja ist das teuer im Vergleich zu allem anderen bisher im Iran.  Nach weiteren 10 Minuten Fußmarsch (in Motorradklamotten, zur Erinnerung) sind wir am Eingang der Höhle. Wir befinden uns in einem modernen Warteraum, der an einen Bahnhof erinnert und viel zu groß ist, für die paar Leute, die hier rumlaufen. Im Reiseführer stand, man soll die Wochenenden meiden, da die Höhle viel zu überlaufen sei. Das können wir so nicht bestätigen.

Wir zeigen unser Ticket, bekommen blaue Schwimmwesten angezogen und steigen eine breite Treppe hinunter. Nach der Treppe folgen wir einem Weg und bereits jetzt befinden wir uns direkt in der Höhle. Der Weg wird teilweise von herabhängenden Felsen versperrt und rechts und links vom Weg sieht man immer wieder klares Wasser. Wir kommen an eine Bootanlegestelle und setzen uns auf die gleichen Plastikstühle wie im Warteraum. Uns gegenüber sitzt eine Familie, Vater, Mutter und Sohn. Zu ihren Füßen Körbe und Tüten voll Essen, außerdem sehe ich eine Thermoskanne und andere Flaschen. Für den Fall, dass wir hier unten eingesperrt sind, ist die Verpflegung für die nächsten zwei Wochen gesichert., denke ich mir. Vermutlich habe ich die Vorräte zu lange inspiziert, denn kaum sitzen wir, drückt uns der Vater ein Glas Tee in die Hand und reicht uns eine Schale mit Würfelzucker. Wir haben nicht mal den Hauch einer Chance, nein zu sagen. Der Tee ist gut und heiß, leider muss ich ihn hinunterstürzen, da wir angewiesen werden, in die Boote zu steigen. Meine Speiseröhre hat jetzt Verbrennungen 1. Grades.

Wir sitzen mit der Mutter und dem Sohn im letzten von drei Booten, die hintereinander an einer Schnur hängen und von einem Tretboot durch die Höhle gezogen werden. Im Tretboot sitzt der Vater neben einem Angestellten aus der Höhle. So fahren wir eine gute Weile, sehen interessante Felsformationen, Kristalle und Tropfsteine an den Decken, die hin und wieder dank geschickter Beleuchtung in allen Farben des Regenbogens schimmern. Kitschig, aber irgendwie auch schön. Wir steigen aus und laufen ein Stück geführt durch die Höhle. Die Höhlennetz ist angeblich über 60 km lang, der bisher erforschte Teil ist 11km lang und davon sind 3km für den Tourismus freigegeben. Wir sind beeindruckt von der Größe der einzelnen Räume, den vielen verschiedenen Gesteinen und Formen. Es ist wirklich die schönste und größte Höhle, die ich jemands besichtigt habe.

Der Vater mit dem Tee von vorhin bittet mich immer wieder, von ihm, seiner Frau und seinem Sohn Bilder zu machen. Dann mit uns beiden. Dann nur er und Roland. Seine Frau und ich. Alle fünf Minuten ein Foto. Misses, Misses, ruft er immer, stellt seine Körbe ab und positioniert sich und seine Familie. Ich sehe Roland an, dass es ihn langsam nervt, aber nachdem wir nach jedem Foto gefüttert werden, mit Trauben, Nüssen, Kirschen, Keksen lässt er das Theater über sich ergehen. Gute zwei Stunden waren wir in der Höhle, die 10€ haben sich wirklich gelohnt.

Auf dem Rückweg ins Hostel sehen wir uns noch den Steinlöwen aus der Zeit Alexander des Großen, von ca. 330 v. Chr. an und kaufen für das Abendessen sein. Ich koche und Roland plant die Route für morgen, wir wollen versuchen die knapp 500 km bis Isfahan durchzufahren.

Romantischer geht’s kaum.

Unser heutiges Ziel ist Takth-e Soleiman, eine Festung knapp 400km entfernt von Tabriz. Kurz nach Tabriz fahren wir an dem Salzsee Urmia vorbei, der seit den 1970ern fast 90% seiner Wasseroberfläche verloren hat. Dort wo früher Wasser war, findet man jetzt dicke Salzschichten. Eine Katastrophe für die Tier- und Pflanzenwelt und natürlich auch den Menschen. Soweit ich erfahren habe, gibt es seit Kurzem Bestrebungen, den Wasserstand des Sees wieder zu erhöhen. Hoffen wir, dass das funktioniert.

Auf der Weiterfahrt Richtung Süden bleiben wir ein paar Mal stehen, um unsere Wasservorräte aufzufüllen. Kaum haben wir angehalten, sind wir umringt von Menschen, die alles Mögliche wissen wollen: Wo wir herkommen, ob uns der Iran gefällt, ganz wichtig auch, wie viele Zylinder unsere Motorräder haben und wieviel Kubik. Sie machen Selfies und wollen unseren Instagram Account wissen. Roland ist froh, dass er hat keinen und sie zu mir schicken kann.

Kurz vor Takht-e Soleiman kaufen wir Vorräte ein. Pasta mit Tomatensauce für heute Abend, Milch, Orangensaft und eingelegt Aprikosen für das Frühstück morgen. Als wir bei der Festung ankommen, entdeckt Roland einen Hügel in unmittelbarer Nähe. Wir fahren mit unseren Bikes hinauf und bauen oben unser Zelt auf. Es ist der perfekte Platz – von unten sieht uns keiner, aber wir haben den direkten Blick auf den Sonnenuntergang hinter der Festung.

Nachdem die Sonne untergegangen ist, wird es tatsächlich kühler, immerhin haben wir unser Nachtlager auf 2.230m aufgeschlagen. Wir sitzen satt und zufrieden auf unseren Campingstühlen, schauen auf die mittlerweile beleuchtete Festungsmauer und immer mehr Sterne erscheinen am Himmel – wir können uns momentan keinen schöneren Ort vorstellen. Lediglich ein kühles Bier in der Hand könnte dem Abend noch die Krone aufsetzen.

Sightseeing in Tabriz

Unseren zweiten Tag in Tabriz verbringen wir mit Sightseeing und auf dem Basar, der aufgrund des wunderschönen, alten Gebäudekomplex in dem er untergebracht ist, zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Wie vermutlich jeder andere Basar ist auch dieser hier in Tabriz in unterschiedliche Bereiche aufgeteilt: Schuhe, Obst, Gemüse, Schmuck und natürlich Teppiche. Allerdings drängen sich die Händler hier nicht auf, rennen dir nicht hinterher oder wollen dich in ihren Laden zerren. Wir schlendern gemütlich von Stand zu Stand, entdecken frische Jasminblüten für Tee, natürlich allerhand Gewürze, sehr viel Reis und kuriose, hauchdünne Platten aus Fruchtkonzentrat. Und auch ganze Ziegen- und Kuhbeine.

Ein junger Iraner spricht uns an und fragt uns, ob er uns ein bisschen herumführen darf. Meistens verlangen die Einheimischen dafür Geld, bzw. sagen hinterher, du darfst ihnen geben was du für richtig hältst. Ein netter Trick um mehr Bezahlung zu erhalten, denn das was wir Europäer für angemessen halten, ist ein Vielfaches mehr, als was sie verlangen würden. Wir willigen ein, weil wir unbedingt in die Jame-Moschee im Basar-Komplex möchten und der Zutritt in Begleitung eines Iraners viel leichter ist. Außerdem kennt er sich tatsächlich gut aus, kann uns viel über die Geschichte des Islams und der Moscheen von Tabriz erzählen. Wir laufen durch die Moschee und anschließend über den Basar, nach einer knappen Stunde bedanken wir uns bei ihm, geben ihm 5 Dollar und ziehen alleine weiter.

Als nächstes sehen wir uns die Blaue Moschee, das Rathaus und den Iwan der ehemaligen Ali Shah Moschee an, den wir bereits nachts so schön beleuchtet gesehen hatten. Vor allem die Blaue Moschee von 1465 ist beeindruckend. Von außen wirkt sie fast langweilig, aber innen fasziniert sie umso mehr. Die Innenräume sind über und über mit Mosaiken verziert, die Blumen, Sternenbilder, Wolken und Schriftzeichen darstellen. Für die Blautöne hat man Kobalt oder sogar Lapislazuli und für die Gelbtöne Blattgold verwendet. Viele der Mosaike sind noch sehr gut erhalten und man kann sich gut vorstellen, welcher Aufwand dahinter gesteckt haben muss.

Zurück im Hotel rufen wir Ali an, den wir an der Grenze kennen gelernt hatten. Mit ihm wollen wir uns heute noch treffen, aber zuerst schickt er uns Amin, einen seiner Deutschschüler, der mit uns zum Geldwechseln geht. Wir hatten in der Türkei ein paar Euro gewechselt und wie sich jetzt herausstellt zu einem unfassbar schlechten Kurs: Nämlich dem offiziellen Wechselkurs der Banken. Für 1€ haben wir 50.000 Rial erhalten, bei der Wechselstube in der Nähe des Basars sind es ganze 90.000 Rial. Ich tausche 200€ und bin jetzt Multimillionär.

Wir gehen mit Amin ins Cafe Nuts, einen süßen, kleinen Laden im Nordosten von Tabriz, den ein Armenier führt. Er braucht zwar ziemlich lange, bis er drei Kaffee zubereitet hat, aber es lohnt sich zu warten. Es gibt einen richtigen Cappuccino, die Bohnen werden frisch gemahlen und man bekommt eine Praline mit 76% Kakaoanteil. Inzwischen sind Ali und ein weiterer Freund von Amin gekommen und wir unterhalten uns prächtig, lachen viel und es fühlt sich an, als würden wir uns schon sehr lange kennen. Nebenbei läuft Fußball. Deutschland verliert und fliegt aus der WM.