Die Entdeckung in Tabriz: ein iranischer Biergarten

Beim Frühstück beschließen wir, noch eine Nacht in Tabriz zu bleiben und den heutigen Tag für einen Ausflug nach Kandovan zu nutzen. Das über 800 Jahre alte Felsendorf liegt keine 60 km von Tabriz entfernt, auf gut 2.000 Höhenmetern. Kurz vor dem Dorf müssen wir Eintritt bezahlen: 40.000 Rial (80 Cent für uns beide)

Angeblich leben noch ca. 1.000 Menschen in den Höhlen, unterhalb der Felsen wurden aber auch einige neue, kleine Häuser gebaut. Es ist kaum etwas los im Dorf, nur ein paar Touristen schlendern umher. Wir haben unsere Helme und Jacken am Motorrad befestigt und sehen uns die Höhlenwohnungen an. Vor den Eingängen sitzen Frauen, sie verkaufen gestrickte und gewebte Kleidung, Taschen und getrocknetes Obst.

In manchen Höhlenwohnungen wurden ganz neue, helle Holztüren verbaut, oder auch gern mal ein kleines, weißes Kunststofffenster. Die interessante Mischung aus Alt und Neu lässt mich schmunzeln. Aber warum sollte man auf die Errungenschaften der Moderne verzichten, nur weil man in einer Höhle wohnt?

Auf dem Rückweg zum Hotel verfahren wir uns (mal wieder). Ich bin immer noch nicht ganz fit, hatte morgens kaum etwas gegessen um meinen Magen zu schonen, und die Hitze setzt mir zu. Nachdem wir das zweite Mal im Kreis gefahren sind, reicht es mir. Ich kann und mag nicht mehr. Ich habe Durst und mir ist schwindlig. Entkräftet stelle ich das Motorrad hinter ein parkendes Auto und setze mich unter einen Baum, japse nach Luft. Sofort kommen zwei Männer angelaufen, einer mit Wasser, der andere drückt mir eine Art Apfelschorle in die Hand. Oh je denke ich mir. Apfelschorle. Öl ins Feuer gießen. Egal, Hauptsache der Schwindel geht weg und ich komme wieder zu Kräften.

Während ich mich von ihnen aufpeppeln lasse, unterhält sich Roland mit ein paar anderen Männern. Sie erklären ihm den Weg zum Hotel. Dort angekommen, gehe ich sofort kalt duschen und lege mich kurz hin. Bevor wir uns wieder dem Navigationsthema widmen. Wir haben es immer noch nicht geschafft, das Navi zum Laufen zu bringen. Tobi und Stefan supporten aus der Ferne, was bin ich froh, dass es im Hotel ein stabiles Wifi gibt. Nach 2 Stunden zumindest ein Teilerfolg, es gibt mittlerweile einige Straßen mehr auf dem Navi, wenn auch nicht alle.

Gegen 21 Uhr gehen wir nochmal raus und spazieren durch Tabriz. In einem Hinterhof entdecke ich ein Cafe, versteckt hinter einem großen Feigenbaum und ein paar Sträuchern. Wir gehen durch das Grün und stehen auf Kies in einem iranischen Biergarten. In der Mitte ist ein kleiner Teich mit Fischen und einem winzigen Springbrunnen, drumherum sind Tische aufgestellt. An den Wänden schwarze Malereien. Wir bestellen Getränke und ich Spaghetti (Spaß muss ein) und Roland Kufteh Tabrisi, iranische Fleischpflanzerl. Beides schmeckt ausgezeichnet. Umgerechnet zahlen wir für alles 8€

Der Garten gehört zu einem Haus, in dem Gemälde und Kunstwerke ausgestellt sind. Der Künstler selbst sitzt neben seiner Staffelei in der Ecke der Terrasse. Er hat mittellanges, schwarz-grau gesträhntes Haar, zieht an seiner Zigarette und begrüßt uns in „seinem Cafe und seinem Haus“. Wir dürfen uns gern seine Gemälde ansehen, was wir auch tun. Ich bin ganz hin und weg von der Atmosphäre hier, der Kunst und dem guten Essen, dem gemütlichen Garten mitten im trubeligen Tabriz. Für alle die Instagram haben, hier der Kontakt: pelake7

Auf dem Heimweg zum Hotel kaufen wir noch Getränke ein. Supermärkte gibt es hier nicht, aber man bekommt in jedem kleinen Imbiss alles was man braucht, von Getränken über Butter bis Thunfisch aus Dosen.

1 Uhr nachts, Update zur Navigationsproblematik: Es funktioniert! Wir hatten die Datei nicht richtig entzipt. Trotzdem bleiben wir noch einen Tag hier, Tabriz gefällt uns einfach zu gut.

 

 

 

 

 

Van lässt uns nicht los!

Van gefällt uns so gut, dass wir beschließen, noch eine Nacht zu bleiben. Und uns noch einen Tag mehr Zeit für die Vorbereitungen für den Iran zu verschaffen – wir haben immer noch das Gefühl, dass uns die paar Seiten, die wir bisher gelesen haben nicht ausreichen.

Trotzdem möchte Roland heute auch Motorrad fahren und er hat einen Wasserfall 80km von Van gefunden, den man besichtigen kann.

Heute ist Wahlsonntag und ich bin ganz froh, nicht in der Stadt zu sein. Wir fahren Richtung Norden am See vorbei und haben einen wundervollen Blick auf den Berg Süphyon und seinen mit Schnee bedeckten Gipfel. Wir biegen auf einem Feldweg Richtung Seeufer ab und fahren ein Stück Offroad, bis wir die perfekte Stelle für ein Foto von unseren Bikes finden.

Überall am Ufer wird gecampt und gegrillt, Kinder schwimmen im dunkeltürkis-farbigen See. Ich will auch, denke ich mir. Am See liegen, schwimmen, die Sonne genießen und entspannen. Aber wir müssen weiter, Roland sitzt schon wieder auf dem Bike und will los.

Der Wasserfall ist gut besucht. Bereits auf den Grünflächen rund um den vollen Parkplatz wird gegrillt, überall wuseln Kinder, Verkäufer preisen ihre gegrillten Maiskolben an und in dem ganzen Trubel werden wir auf deutsch angesprochen: „Ganz schön langer Weg, mein lieber Scholli!“ Vor uns steht eine Gruppe Türken und wie sich herausstellt, drei deutsche Wahlbeobachter aus Frankfurt. Sie sind ebenfalls in Van und besuchen dort und in der Umgebung die Wahllokale. Wir sprechen kurz, dann geht die Gruppe weiter.

Wir machen uns ebenfalls auf zum Wasserfall und sind erstaunt, wie viel Wasser er hat, obwohl es doch Hochsommer ist. Mehrere Wasserfälle nebeneinander stürzen rauschend in die Tiefe. Es sieht ein bisschen aus wie die Krka Wasserfälle in klein. Nur leider ist es hier ziemlich vermüllt. Überall liegen die Essensreste vom Grillen, Plastikverpackungen, Tüten, Flaschen rum. Es macht mich richtig wütend, dass manche Menschen solche Schweine sind.

Wieder im Hotel angekommen, laden wir die OSM Karten der wilden Länder, die uns Tobi freundlicherweise geschickt hat. Und Stefan hilft uns bei der  Routenplanung und der Installation der Spot Tracker. Ohne unsere Freunde wären wir aufgeschmissen. Roland plant also die Route über die Grenze Richtung Tabriz und sucht uns Hotels auf der Strecke – falls wir die 450km nicht komplett schaffen. Ich packe meine Taschen und wasche die letzte Wäsche.

Inzwischen steht das Ergebnis der Präsidentenwahl fest. Erdogan hat gewonnen und bis weit nach Mitternacht fahren Autos laut hupend durch die Straßen, aus den Fenstern werden Türkei-Fahnen geschwenkt. Es gibt Feuerwerk am Himmel und Menschen laufen feiernd durch die Straßen. Wir schließen Fenster und Vorhang und versuchen zu schlafen.

Sightseeing in Van

Wir treffen uns um 7:30 Uhr mit Harun in der Lobby und er fährt uns in ein Frühstücks-Restaurant in der Innenstadt. Es ist bereits jetzt gut besucht und Harun meint, dass man in einer Stunde keinen Platz mehr bekommt. Van ist im ganzen Land berühmt für sein Frühstück und wir sitzen keine fünf Minuten, da wird aufgetischt: Spiegeleier mit Fleischstreifen, Pommes, Oliven, verschiedene Sorten Käse, unsere Lieblingspampe aus Tomate, Ei, und Pepperoni, frische Tomaten und Gurken, Aufstriche aus Getreide, Ei und Honig, Marmelade die aus eingelegten, unreifen Walnüssen hergestellt wird, Milchrahm mit Honig, Cay und natürlich ganz, ganz, ganz viel Weißbrot.

Blöderweise wird Harun sofort wieder zum Auto gerufen. Da für heute eine große Demonstration der Kurden geplant ist, darf kein Auto in der Innenstadt parken. Er geht zurück zum Auto und Roland und ich essen weiter. Da wir nicht alles schaffen, packe ich den restlichen Käse und Oliven ein.

Wir wollen heute zur Insel Akdamar fahren, dort schwimmen und uns die Kirche aus dem 9. Jahrhundert ansehen. Als wir kurz beim Autohändler anhalten – Harun muss irgendwas organisieren – meint Roland zu mir, dass er lieber alleine und mit den Motorrädern fahren will. Ich war eigentlich froh, nach 10 Fahrtagen endlich mal Pause zu haben, und mich chauffieren zu lassen, aber Roland hat recht. Wenn wir den ganzen Tag mit Harun unterwegs sind, zahlen wir ihn und das Auto, obwohl wir selber mobil sind. Wir besprechen es mit Harun, er versteht das und fährt uns zurück ins Hotel.

Es sind ca. 50km bis zum Boot und wir erwischen die erste Fähreauf die Insel. Mit uns sind nur 10 weitere Menschen an Bord und entsprechend wenig los ist auf der Insel. Wir haben 1,5 Stunden Zeit bis zur Rückfahrt und so sehen wir uns zuerst die Kirche an. Es ist eine kleine, armenische Kirche mit wundervollen Fresken auf der Außenseite, die Szenen aus der Bibel darstellen. Lukas, David und Goliath, Maria mit dem Jesuskind und weitere.

Wir laufen über die Insel, bis wir einen schönen, fast nicht einsehbaren Badeplatz gefunden haben. Hier am See habe ich Frauen immer nur komplett angezogen im Wasser gesehen und deswegen möchte ich mich nicht zu prominent im Bikini in die Wellen stürzen. Das Wasser ist klar, hat eine angenehme Temperatur und ist nur leicht salzig. Nach einer knappen halben Stunde Baden und Sonnen gehen wir wieder zurück zum Boot und fahren aufs Festland.

Auf dem Rückweg kaufen wir noch EFES Bier im Migros für das Deutschlandspiel heute Abend. Vorher putzen wir unsere Bikes blitzeblank, ich schmiere wieder meine Kette und Roland überprüft die Steckverbindung zum Cockpit. Seit ein paar Tagen fällt bei meiner Zicki immer wieder der Tacho aus. Steckverbindung sieht gut aus, also bleibt uns nichts anderes übrig, als weiter zu beobachten. Und wenn ich ehrlich bin: Ich bin der Türkei braucht man sowieso keinen Tacho. Hier hält sich niemand an die Geschwindigkeitsbegrenzung.

Das Deutschlandspiel sehen wir uns auf dem Zimmer an, so kann ich nebenbei noch ein bisschen unsere Einreise in den Iran vorbereiten und den Blog schreiben. 95 Minuten lang liegt ein besorgter Roland neben mir im Bett, bevor Kroos in der 95. Minuten das 2:1 macht. Jetzt können wir auch im Iran nach Hotels mit Fußball-Übertragung suchen…

Kültür

Heute steht Kültür auf dem Programm. Auf dem Weg zum Nemrut Dagi stoßen wir zufällig auf eine alte Steinbrücke über einem Fluss, der mich mit seinem türkisblauen Wasser und den hellen Kiesbänken an meine geliebte Isar erinnert. Von der Brücke aus blickt man direkt in die Felsen, aus denen der breite Fluss entspringt. Einige Einheimische baden, offensichtlich Familien mit Kindern und zwischen großen Steinen im Wasser haben sie ganze Wassermelonen platziert. Wir überlegen kurz, ob wir ebenfalls baden gehen, werden dann aber von dem Eigentümer der kleinen Pension an der Brücke angesprochen und auf einen Cay eingeladen.

Er lebt seit Jahren in Tirol und verbringt die Sommer hier an der Cendere Bridge und führt die Pension. Die Brücke wurde 200 v. Chr. von den Römern erbaut, erzählt er uns. Früher kamen viele Touristen hierher, unter anderem auch das Rotel, das  selbstrollende Hotel aus Tittlingen, das Roland natürlich kennt. Aber vor drei, vier Jahren ist der Tourismus massiv eingebrochen. Ab und an kommen ein paar Einheimische, die hier Urlaub machen. Es gibt noch viele weitere antike Sehenswürdigkeiten in dieser Gegend, aber auch dort sieht man keine Touristen mehr. Wir alle wissen, woran das liegt.

Nach zwei Cay setzen wir unsere Fahrt zum Nemrut Dagi fort. Der Nemrut, mit 2.150m eine der höchsten Erhebungen im Taurusgebirge, ist nicht nur ein Vulkan, sondern auch Grabstätte und gehört zum UNESCO Weltkulturerbe. Die gut ausgebaute Straße führt bringt uns in einer knappen halben Stunde von der Brücke auf den Berg.

Bis zum Besuchszentrum dürfen wir fahren, dann müssen wir die Bikes auf dem Parkplatz stehen lassen und ein Bus-Shuttle zur Grabstätte nehmen. Es ist das erste Mal, dass unsere voll beladenen Bikes unbeaufsichtigt sind und uns nicht ganz wohl dabei. Der Shuttlefahrer meint, es sei kein Problem und unsere Sachen sind hier sicher. Wir vertrauen ihm, packen aber trotzdem zumindest alle wichtigen Dokumente in unsere Tankrucksäcke und steigen in das Shuttle. Leider müssen wir dann noch weitere 20 Minuten steil den Berg hinauf gehen, was eigentlich konditionstechnisch kein Problem ist. Aber die Fahrerei in der Hitze hat uns zugesetzt und wir schwitzen in unseren Motorradklamotten.

Zum Glück lohnt sich der anstrengende Aufstieg. Oben erwartet uns eine großartige Kultstätte mit drei Terrassen, die um einen aufgeschütteten Geröllhügel angeordnet sind. In dem Hügel soll sich angeblich das Grab des Antiochos befinden, bisher konnte das Innenleben noch nicht erforscht werden, da man Angst hat, dabei zu viel zu zerstören. Auf den Terrassen stehen riesige, aus Stein gehauene Statuen, die Antiochos selbst sowie Herakles, Zeus und andere Götter darstellen. Ihre Köpfe wurden durch Erdbeben und Blitzeinschlag abgetrennt und liegen nun direkt vor den Körpern. Ich hatte gelesen, dass die Statuen besonders bei Sonnenauf- bzw. -untergang ein Erlebnis sind, da das Licht zusammen mit dem rötlichen Stein eine faszinierendes Farbenspiel ergibt. Aber auch so sind wir tief beeindruckt von dem über 2.000 Jahre alten Denkmal.

Auf dem Weg nach unten treffen wir den allerersten Motorradreisenden überhaupt, einen Russen auf einer Suzuki. Er ist alleine unterwegs auf einer Tour um das Schwarze Meer, seine Frau muss arbeiten. Er empfiehlt uns noch Marokko als Reiseziel und fährt ab.

Wir machen uns ebenfalls auf den Weg und fahren eine wunderschöne Strecke durch den Nemrut Nationalpark. Es ist bereits nach 19 Uhr und unser eigentliches Tagesziel ist noch knapp 150 km entfernt. Also müssen wir umplanen und steuern die nächstgelegene Stadt Kahta an. Katha wirkt leider sehr heruntergekommen und die zwei Hotels, die ich über das Navigationsgerät gefunden habe, gefallen uns gar nicht. Ich möchte gern in die 50 km entfernte Großstadt Adiyaman, denn dort finden wir sicher ein Hotel. Roland will lieber weiter der Nase nach Richtung Süden zu einem Stausee und irgendwo auf der Strecke wird sich schon eine Unterkunft auftun. Das ist mir aber zu stressig, es wird bereits dunkel. Ich setze mich durch und bis wir in Adiyaman ankommen, herrscht eine klitzekleine Spannung zwischen uns.

Am Ortseingang von Adiyaman sehe ich ein Schild zum Grand Isias Hotel und steuere es an. Der Preis für ein Doppelzimmer mit Frühstück liegt bei 180 Lire also checken wir ein, bestellen zwei EFES aufs Zimmer, schauen die Fußballspiele in der Wiederholung und haben uns wieder lieb.