Hallo Tadjikistan!

Um 8.30 Uhr hab ich die E-Mail mit unseren Tadjikistan-Visa im Posteingang. Da im Guesthouse der Drucker kaputt ist, werden wir später einfach in irgendein Hotel fahren, um das Visum auszudrucken.

Nach dem Frühstück verabschieden wir uns von Khalid und seiner Familie. Sein Vater betont noch einmal, dass wir bei ihm daheim herzlich willkommen sind. Egal ob jetzt oder später. Und er fügt hinzu, dass es in ein paar Jahren sicherer für uns ist, wenn der Krieg vorbei ist. Wir tauschen unseren Facebook-Kontakt aus und starten los. Im Asia Hotel direkt um die Ecke frage ich nach, ob sie unser Visum ausdrucken können. Das Personal ist super nett und ruckzuck halte ich das Visum in den Händen.

Wir fahren keine Stunden zur Grenze und die Ausreise aus Usbekistan wäre in 10 Minuten erledigt – wenn ich nicht mein Dokument für die Motorrad-Registrierung verschlampt hätte. Ich suche in allen Taschen, finde es aber nicht. Was bin ich froh, dass die usbekischen Grenzbeamten auch Computer nutzen. Der Beamte findet meine Daten im „Internet“ wie er sagt. Er zeigt mir am Bildschirm die Maske. Meine Passport-Nummer, Zickis Kennzeichen, Chassis Nummer und Farbe, alles da. Puh Glück gehabt! Ansonsten „Big problem“ meint er. Ich danke ihm tausendmal und nach wenigen Minuten dürfen wir weiter zum tadjikischen Grenzposten fahren. Wir werden mit einem Lächeln empfangen, unser Reisepass wird gescant, ein Foto gemacht und schon sind wir in Tadjikistan.

Auf dem Weg nach Dushanbe liegt der Ort Panjakent und hier gibt es eine Touristeninfo, die leider bereits zu hat (geöffnet von 10-14 Uhr), als wir dort ankommen. Hier wollten wir uns eigentlich eine SIM Karte kaufen, angeblich 3GB für 5$. Dann eben nicht. Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben. In der Bank schräg gegenüber wechseln wir Euro. In Tadjikistan gibt es – anders als in den vorherigen Ländern – keinen Schwarzmarkt zum Tauschen. 11 Somoni sind 1 Euro. Endlich mal wieder ein Wechselkurs, bei dem man keinen Rucksack voll Geld mit sich herumschleppen muss.

Tadjikistan empfängt uns mit einer wunderbaren Panoramastraße, die durch eine mächtige Bergkette mit Gipfeln über 5.000m führt. Nach so viel Wüste in Usbekistan und Turkmenistan genießen wir die Kurven und die Bergelandschaft und sind wieder mal erstaunt, wie schnell sich eine Landschaft und die Natur innerhalb weniger Kilometer ändern können. Wir fahren den Fluss Varzob entlang und Roland bekommt Appetit auf Fisch. An einem Restaurant mit Sitzplätzen direkt am Wasser halten wir an und Roland bestellt sich so was wie eine Forelle, die aufgeschnitten wurde und von allen Seiten angebraten ist. Ich esse Salat – was sonst.

Im Dunkeln erreichen wir Dushanbe und das Green House Hostel, eine Lonely Planet Empfehlung und Treffpunkt für viele Biker und Radler. Sie haben kein freies Zimmer mehr und wir versuchen es im „Hello Dushanbe“ keine 100m weiter. Hier bekommen wir ein super schönes Zimmer mit Kingsize Bed und 20qm großem Bad für 30$ inkl. Frühstück. Unsere Bikes parken wir im Innenhof neben einer Africa Twin, die Philippe aus Wien gehört. Wir unterhalten uns kurz mit ihm. Philippe hat ein technisches Problem bei seiner neuen Africa Twin, die Gabel ist undicht und er hat morgen ebenfalls einen Termin bei Aziz im Bike House.

Sonntagsausflug nach Urgut

In unserem Reiseführer steht, dass sich sonntags ein Ausflug auf den Basar nach Urgut lohnt, weil dann die meisten Händler vor Ort sind. Wir nehmen ein Privat-Taxi und zahlen 8€ für 45 Minuten Fahrt, im Sammeltaxi wären es nur 2€ gewesen, worüber sich Roland total ärgert. Auf dem Rückweg sind wir schlauer.

Der Basar ist riesig. Es sollen angeblich 80 Hallen sein, sortiert nach Themen: Haushaltwaren, Frauenkleidung, Schulsachen, Werkzeug usw. Uns interessieren besonders die Stoffhändlerinnen, die sich hinter den Hallen befinden. In Usbekistan kann man sogenannte Suzannis kaufen, das sind Stoffe aus den 50ern oder älter, mit wundervollen Mustern bestickt, die mehrere hundert Dollar kosten können. Die Suzannis hängt man sich an die Wand oder verwendet sie als Tischdecken. Es gibt natürlich auch günstigere, aber kaufen wollen wir ja sowieso nicht. Unsere Motorräder sind beladen genug. Für Souveniers ist kein Platz.

Ein paar Händlerinnen machen gerade Pause und als sie uns sehen, winken sie uns heran und bieten uns Tee an. Schon sitze ich zwischen den lustig schnatternden Frauen, mit ihren bunten Kleidern und goldenen Zähnen. Sie setzen mir Festtagsschmuck auf den Kopf, wie man ihn zu Hochzeit oder Geburtstag trägt. Ich verstehe sie nicht, und sie mich nicht, aber der Daumen nach oben bedeutet wohl, dass ich super damit aussehe.

Nach dem Basar fahren wir mit dem Sammeltaxi zu einem Park, in dem über 1.000 Jahre alte Platanen stehen. Als wir zum Eingang gehen, merkt Roland, dass er seine Brille im Taxi liegen gelassen hat. Das Taxi hatte uns an einem Lebensmittelladen rausgelasen und ich erkläre mit Händen und Füßen dem Verkäufer, was eben passiert ist. Er versteht mich tatsächlich und meint, wir sollen in den Park gehen und wenn wir wieder heraus kommen, ist die Brille da.

Also gehen wir in den Park und die größte und älteste Platane steht gleich am Eingang. Ihre Wurzeln sind so mächtig, dass vor ein paar Hundert Jahren ein 30qm Raum hineingebaut wurde, in dem Kinder unterrichtet wurden. Im Park befindet sich außerdem eine Moschee, ein Mausoleum und eine Quelle mit kleinem Teich. Es heißt, wenn man ganz genau in die Quelle sieht, kann man Allah sehen. Ich sehe ihn leider nicht.

Als wir zurück zum Lebensmittelladen kommen, liegt dort tatsächlich Rolands Etui und darin seine Lesebrille. Die Stärke der Gläser passt schon lange nicht mehr und er hätte auch zwei Ersatzbrillen dabei, trotzdem ist er glücklich, sie wieder zu haben.

Auf dem Rückweg vom Park nehmen wir witzigerweise wieder das gleiche Taxi wie vorhin und es bringt uns zum Sammeltaxi-Stand im Zentrum von Urgut. Auf einer Kreuzung hält der Fahrer an, ein Mann reicht ihm mehrere Bündel 1.000er durchs Fenster, das unserer Fahrer als wäre es ein Stück Brot zwischen sich und Rolands Sitz platziert. Dann fährt er weiter. Kurz darauf hält er wieder an und ein weiterer Fahrgast steigt ein, der ein paar hundert Meter wieder aussteigt.

Das nächste Taxi, das uns ein Stück mitnehmen soll, ist bereits voll besetzt – zumindest sehe ich das so. Auf der Rückbank sitzt eine Mutter mit zwei Jungs und Schulranzen auf dem Rücken. Ich soll einsteigen, zögere aber kurz. Zu viert hinten sitzen? Als ich die Tür öffne, setzt sich der eine Junge wie selbstverständlich auf den Schoß des anderen. Angeschnallt wird hier sowieso nicht und so rasen wir zu sechst in einem alten Renault Richtung Samarkand.

Auf halber Strecke müssen wir noch einmal das Taxi wechseln, dieses Mal steigen wir in einen dieser Mini-Busse ein, der immer wieder anhält, Leute steigen aus und andere ein. Auf dem Bus steht kein Schild (zumindest sehe ich keines) und ich frage mich, woher die Leute am Straßenrand wissen, wo der Bus hinfährt. Aber vermutlich gibt es zwischen Urgut und Samarkand keine anderen Ortschaften, in die man fahren kann oder möchte.

Kaffeedscherl in Buchara

Aziz vom Bike House in Dushanbe hat auf Rolands Whatsapp geantwortet, dass er die Felge in 30 Minuten repariert hat. D.h. ich muss jetzt nur noch heil nach Dushanbe kommen, das sind ca 1.000 km. Vorher haben wir allerdings noch eine wichtige Station der Seidenstraße: Samarkand. Aber noch sind wir im wunderschönen Buchara. Die Moscheen sind eindrucksvoller als im Iran, nochmal größer und viel bunter dekoriert. Und es gibt Cappuccino! Auch wenn Roland es für übertrieben und total touristisch hält, ich genieße meinen Julius Meinl Cappuccino für 2€ mit Blick auf einen kleinen Basar. Und den zweiten auch.

Danach sehen wir uns die Bolo Hauz Moschee mit ihren wunderschönen Holzsäulen und die Ark-Festung an, die fast komplett restauriert ist, da sie mehrmals zerstört wurde – zuletzt von den Russen 1920. Es ist fast nichts mehr original erhalten. Trotzdem sehr imposant, wenn man bedenkt, dass die Festung in dieser Größe weit vor Christus erschaffen wurde.

Natürlich wollen andere Besucher wieder wissen, woher wir kommen. Roland ist mittlerweile ziemlich genervt weil wir uns kaum frei uns ungestört bewegen können. Um sich Gerede über Fussball zu ersparen antwortet er: Austria. Einer denkt Australien der andere korrigiert: Nein Österreich und fängt an, mit gespieltem österreichischen Akzent Deutsch zu reden. Zefix, das gibt’s doch nicht. Jetzt kennt er Österreich. Rolands Plan geht leider nicht auf, jetzt muss er sich mit ihm über Österreich unterhalten.

Wir lassen uns weiter durch die Stadt treiben und kommen am Chashmai-Ayyub-Mausoleum vorbei, das leider schon geschlossen hat. Die Legende besagt, dass Hiob genau hier mit einem Stab eine Quelle aus einem Felsen geschlagen haben soll. Angeblich macht das Wasser ruhig und ausgeglichen – zu gern hätte ich uns 10 Liter davon abgefüllt für die weitere Reise…

Auf dem Rückweg ins Hotel entdecken wir ein süßes kleines Lokal direkt neben dem Hauptplatz Labi Chaus. Es gibt Sitzpodeste direkt am Springbrunnen und einen Innenhof mit orientalisch dekorierten Tischen. Wir wählen ausnahmsweise den Tisch, da es im Innenhof kühler ist. Roland bestellt Fleisch mit Pilzen, ich esse Salat. Was sonst. Es schmeckt beides hervorragend!

Abends im Hostel beantragen wir unser Visum für Tadjikistan mit Einreise am Montag. Das geht relativ einfach übers Internet. Sofern die Kreditkarte für Online-Einkäufe registriert ist. Das war Rolands VisaCard leider nicht, aber sein Bruder Christian hilft uns glücklicherweise dabei und wir können die 70$ pro Visum bezahlen. Jetzt müssen wir nur noch das O.k. bekommen und das Visum ausdrucken.

Bis spät Nachts sitzen wir im Innenhof bei ein paar Bier mit dem Australier und zwei Französinnen zusammen, reden und lachen viel. Die Belgier sind längst ins Bett, da sie um 6.30 Uhr losfahren wollen. Ganz und gar nicht unser Ding.

Buchara

Um 9 Uhr starten wir los. Mein Shirt habe ich komplett nass gemacht, denn es geht durch die Wüste nach Buchara. Über 400 km quasi geradeaus auf der Autobahn bei über 40°C. Ich will mich nicht beschweren, ich wusste was auf mich zukommt, vermutlich habe ich es einfach nur unterschätzt, wie anstrengend aber stückweit auch langweilig es sein kann, solche Etappen zu fahren. Einziges Highlight: Wir haben 12.000 km geschafft. Einmal müssen wir sowohl Rolands als auch mein Bike mit den Ersatzkanistern betanken. Die Straße ist in einem sehr guten Zustand, lediglich die letzten 70 km sind fester Schotter mit ein paar Schlaglöchern. Eines erwische ich so blöd, dass es mir die Vorderrad-Felge aufbiegt. Ich spüre es sofort am Fahrverhalten. So ein Mist, davor hatte ich die größte Angst. Meine 650 hat blöderweise keine Speichen- sondern Alugussfelgen, selber ausklopfen kann schnell schief gehen und die Felge bricht. Glücklicherweise hält der Reifen die Luft und so kann ich weiter fahren. Es gibt in Dushanbe in Tadjikistan das Bike House, mit dem wir schon wegen Rolands Reifen Kontakt hatten. Wir denken, es ist das Beste, ihn heute Abend anzuschreiben, ob er uns helfen kann. Die restliche Strecke fahre ich extrem vorsichtig und langsam. Ich hab keine Lust, hier liegen zu bleiben.

Wir erreichen das Rumi Hostel ohne weitere Zwischenfälle und können unsere Bikes im Innenhof parken, neben einer Suzuki 650, die einem Australier gehört. Später kommen noch 3 weitere Bikes, zwei 1200GS und eine Honda Varadero an. Ein belgisches Pärchen ist auf den GSen unterwegs in die Mongolei. Beide Motorräder haben rechts und links Ersatzreifen montiert sowie Zusatzscheinwerfer für die Zusatzscheinwerfer. Und ich dachte, wir schleppen viel mit uns rum. Sie erzählen uns, dass sie die Reifen in Dushanbe wechseln wollen – bei dem gleichen Bike House zu dem wir auch wollen. Das scheint wohl der richtige Mann für sowas zu sein.