Xiva von oben

Nachdem wir im Malika Hotel ausgecheckt und 500 m weiter im Euro Asia Hotel eingecheckt haben, fahren wir zum Tanken. Andrej hatte uns eine Tankstelle mit 91er Benzin genannt. In Usbekistan gibt es wenige Benzin-Tankstellen – und meistens bekommt man nur schlechteres Benzin mit 80 Oktan. Denn hier fahren alle Autos mit dem wesentlich günstigeren Gas, selbst alte Lkws wurden umgerüstet.

Wir finden die Tankstelle und fahren mit vollem Tank und jeweils 4l Benzin in den Ersatzkanister wieder ins Hotel und legen eine kurze Ruhepause ein, bevor wir nochmal durch die Altstadt laufen. Roland möchte gern auf das 42m hohe Minarett steigen. Wir zahlen 10.000 Som pro Person (2.20€) und ich bereue es sofort nach der ersten Stufe. Die Wendel-Treppe ist brutal steil, eng und dunkel. Ab und zu lassen kleine Fenster ein bisschen Licht rein. Das ist gar nix für mich. Ich krabbel auf allen Vieren die hohen Stufen nach oben. Der Stress lohnt sich, der Ausblick über Xiva ist fantastisch. Den Weg nach unten trete ich ebenfalls auf allen Vieren an – rückwärts versteht sich.

Zum Sonnenuntergang gehen wir auf der Stadtmauer von Xiva spazieren und essen dabei ein Eis. Das Eis am Stiel sieht zwar aus wie dreimal geschmolzen und wieder eingefroren aber ich bin heute mal mutig und hoffe mein Magen macht das mit.

Über die Mauer kann man die Stadt einmal komplett umrunden und man sieht quasi in alle Häuser der Altstadt. Manche haben wunderschöne Gärten, andere halten sich Ziegen und bei einigen sieht es aus wie auf dem Sperrmüll.

Den restlichen Abend verbringen wir auf unserer Hotel Terrasse, bei einem Bierchen planen wir die nächsten Tage. Das Personal hat extra für uns die typisch bunten Matratzen ausgelegt und ein kleines Tischchen aufgestellt. So etwas wünsche ich mir für daheim auch, entweder Matratzen oder ein Sitzpodest – Hauptsache ich kann beim Essen schön rumfläzen.

Xiva

Das Zimmer im Malika ist nicht günstig, 50$ für eine Nacht. Aber allein das Frühstück rechtfertigt den hohen Preis – zumindest für mich. Es gibt Tee, Obst, Eier, Wurst, Käse, Butter, Brot, Marmelade, gebrannte Mandeln und Erdnüsse, Pancakes, Croisssants, Kuchen, Saft. Das alles wurde auf einem Tisch für uns angerichtet. Wir schaffen es nicht, alles aufzuessen.

Anschließend laufen wir durch die Altstadt, besichtigen gerade das Pachlawan-Machmud-Mausoleum, als ein Mullah hereinkommt und ein Gebet spricht. Das Mausoleum ist innen mit wunderschönem Fliesenschmuck dekoriert. Die Fliesen sind mit Pflanzenranken und dem typischen Chiwaer Muster bemalt und wurden mit einem Nagel an der Wand befestigt. Pachlawan, der 1326 starb ist Chiwas Schutzheiliger und deswegen besuchen zahlreiche Pilger dieses Mausoleum.

Nachmittags kümmern wir uns um unsere Bikes. Roland verbaut die 2. Lenkererhöhung, schraubt die Spiegel fest, überprüft die Speichen auf Schäden und wäscht den gröbsten Dreck runter. Außerdem verliert er ein bisschen Öl an der Verschraubung vom Ventildeckel. Die Schraube ist ok, also beobachten wir das die nächsten Tage.

Ich putze Zicki ebenfalls und schmiere die Kette. Beim Putzen fällt mir auf, dass mein schöner, neuer Zusatzscheinwerfer einen Riss und die linke Verkleidung ein paar Schrammen abbekommen hat.

Gerade als wir fast fertig sind, kommen zwei Männer auf uns zu, ebenfalls Motorradfahrer, die von Rumänien in die Mongolei unterwegs sind. Wir verabreden uns zum Abendessen. Bei einem Plov, dem usbekischen Nationalgericht, und fünf Bier teilen wir unsere bisherigen Erlebnisse, Erfahrungen mit den Bikes und diskutieren die Routen, die wir fahren möchten. Andrej ist auf einer F800GS unterwegs, Marius auf einer Yamaha 660 Tenere. Andrej vermisst bei seiner GS den größeren Tank und Marius ein paar PS bei der Yamaha. Außerdem erfahre ich, was ich in Turkmenistan falsch gemacht habe: Man darf niemals mit offener Jacke fahren, da einen die Hitze innerhalb weniger Minuten austrocknet. Stattdessen einen halben Liter Wasser oder mehr aufs Shirt kippen und die Jacke zu machen. Das langsam verdunstende Wasser kühlt den Körper. Ich hatte mein Shirt zwar nass gemacht aber nicht so stark und die Jacke offen gelassen. Großer Fehler. Wieder was gelernt!

Sie nennen uns noch ihr Hotel, das viel günstiger ist und am Rand der Altstadt liegt. Sie reisen morgen ab, aber wir bleiben noch eine weitere Nacht und beschließen, morgen in ihr Hotel umzuziehen.

Drei Länder in drei Tagen: Auf nach Usbekistan

Als wir um 7:30 Uhr aufstehen, sind Vincent und die Japaner bereits abgereist. Nur noch unser Zelt steht einsam und verlassen da. Selbst in der Wüste sind wir die Letzten…

Es geht ein starker Wind und wir haben Mühe, das Zelt ordentlich abzubauen. Die Jungs, die hier die geführten Touren beaufsichtigen, haben uns ein kleines Frühstück gemacht, danach fahren wir los. Der Wettergott entschuldigt sich für gestern auf seine Weise: es hat gerademal 38°C

Die Strecke, für die wir gestern über eine Stunde gebraucht haben, fahren wir heute in 15 Minuten. Und ich falle nur 1x im Sand. Da wir gut durchkommen, beschließen wir, keine Nacht mehr in Turkmenistan zu bleiben, sondern heute noch nach Usbekistan einzureisen.

Die letzten 50 km vor der Grenze sind allerdings ein Witz, die Straße wird zur Offroad-Piste und ich kippe mal wieder im Sand um. Der letzte Stop vor der Grenze ist ein kleiner Lebensmittelladen. Wir decken uns mit Keksen und Getränken ein. Die restlichen Manat wollen wir versuchen, später mit einem Reisenden tauschen, der die Route in umgekehrter Richtung fährt.

Ich packe wieder alle Dokumente, Geld und Technik in meinen Rucksack und wir fahren zum Grenzübergang. Die Ausreise aus Turkmenistan dauert eine gute Stunde. Der Arzt misst unsere Temperatur an der Stirn (36,1°C) , wir geben das GPS und alle Unterlagen zurück und unsere Daten werden wieder in einige Bücher eingetragen. Ein junger Soldat begleitet uns dabei die ganze Zeit, er spricht sehr gutes Englisch (verdächtig!) und will immer wieder Fotos sehen, die wir gemacht haben. Er meint, weil sie eine Fotowand basteln mit den „Happy Customers“ und ihren Erinnerungen. Nice try Bürschlein. Das ist hier – soweit ich sehen kann – nicht McDonalds und ich habe kein Happy Meal bestellt. Roland zeigt ihm sein Handy, denn alle Bilder habe ich mit meiner Kamera gemacht. Dann gehen wir zu den Bikes, durchsucht wird nichts mehr. Wir dürfen weiter zur usbekischen Seite fahren und werden sehr herzlich am Zaun zur ersten Passkontrolle begrüsst. Dann wird es etwas skurril, wir müssen unsere Bikes um 180° drehen, also verkehrt herum hinein Stelle , denn unser Nummernschild wird von hinten gefilmt. Zuerst Roland, dann ich. Anschließend folgt wieder die gewohnte Einreiseprozedur. Passkontrolle und Bike Registrierung. Die usbekischen Soldaten sind super nett und lustig. Einer von ihnen spricht wieder sehr gut Englisch (ist aber sonst nicht weiter verdächtig) und übersetzt die Fragen der anderen. Es entsteht eine richtige Unterhaltung, wir reden natürlich über Fussball, welche Strecke wir fahren, ob sie uns einen Ort besonders empfehlen können, was man hier isst usw. Sie wollen wissen, ob wir verheiratet sind (Logo) und Kinder zusammen haben. Als wir verneinen, wir beide haben keine gemeinsamen Kinder, schütteln sie verstört den Kopf. Ich bitte den einen Soldaten, mir „Ich bin Vegetarier“ auf usbekisch aufzuschreiben, was er sehr gerne macht. Nach einer guten Stunde sind wir fertig und gehen zu den Bikes. Zuerst gilt die Neugier eher den Bikes selber, also wie viel Hubraum sie haben etc. Keiner sagt etwas von Kontrolle. Irgendwann soll ich dann doch meine Seitentasche öffnen. Lustigerweise hatte ich genau in diese Tasche meinen Bikini ganz oben reingschmissen. Und den ziehe ich jetzt raus und sage: „Only Clothes. Look, my Bikini.“ Das war’s dann auch schon mit der Kontrolle. Wir dürfen fahren, verabschieden uns und schlagen den Weg Richtung Xiva ein.

Es ist 16 Uhr, 200 km sollten heute noch zu schaffen sein. Denkst du! Die Piste ist ein Albtraum. Ab Nukus ist die Straße von Schlaglöchern durchzogen, teilweise müssen wir auf 20km/h runterbremsen, um die tiefen Löcher zu umfahren. Immer wieder hört der löchrige Asphalt für mehrere Kilometer auf und wir fahren auf Schotter.

Es macht schon lange keinen Spaß mehr. Roland flucht und schimpft und wünscht sich in den Iran zurück. Seine Gabel ist nicht die Beste und schlägt öfter durch. Keine angenehme Sache.

Um 22 Uhr erreichen wir den Stadtrand von Xiva. Wir halten an einem Restaurant, sofort sind wir umringt von mehreren kleinen Kindern. Müssen die um die Zeit nicht schon im Bett sein, denke ich mir. Roland hat jemanden gefunden, der uns ein bisschen Geld tauscht. Jetzt können wir zumindest Getränke kaufen und Tanken, Hotelzimmer werden hier sowieso in Dollar bezahlt. Wie es der Zufall will, ist einer aus der Gruppe Rezeptionist im Malika Xiva Hotel, er hat heute frei, bringt uns aber gern dorthin. Wir fahren ihm also hinterher, das Hotel liegt direkt gegenüber dem Westtor, dem Eingang zu Xivas Altstadt. Roland handelt noch etwas und um kurz vor 23 Uhr checken wir endlich ein und fallen erschöpft ins Bett.

47,5°C

Nachdem wir das halbe Buffet leer gegessen haben, gehen wir zum Pool. Es sind einige Familien hier, die Jungs spielen mit den Vätern Wasserball und die gestylten Mütter schwimmen mit den noch gestylteren Mädchen oder sonnen sich auf der Liege. Wir schwimmen eine Zeit lang und diskutieren unsere ersten Eindrücke aus Turkmenistan. So richtig begreifen können wir nicht, was hier abgeht. Bevor wir zum brennenden Gas-Krater mitten in der Karakum-Wüste fahren, wollen wir doch noch eine kleine Sightseeing-Tour durch Ashgabat wagen und fahren um 13 Uhr los.

Man darf hier so gut wie nichts fotografieren, an jeder Ecke steht Polizei oder Militär. Sonst sind die Straßen leer. Oft sind wir das einzige Fahrzeug auf der Straße und Menschen sehen wir auch keine. Gespenstisch. Für wen wurden die vielen Hochhäuser gebaut, wer wohnt in den Neubauten am Stadtrand? Wir fühlen uns wie in einer Filmkulisse, allerdings keine aus Pappe. Die Bauwerke sind massiv, zum Teil aus italienischem Marmor. Das ist kein Fake!

Wir fahren ein paar Monumente ab, machen schnell Handy-Fotos oder ich drücke auf die GoPro, die rechts am Sturzbügel montiert ist. Dann passiert es: Ein Polizist winkt uns zu sich heran. Wir halten vor ihm, er zeigt auf Rolands Motorrad uns sagt etwas auf Turkmenisch. Wir zucken mit den Schultern und sagen: „English?“ Der Polizist lacht und zum Vorschein kommt eine vergoldete obere Zahnreihe. Wir stellen uns dumm, sage ich zu Roland durch unsere Helmkommunikationsanlage. Dann zeigt er auf Rolands Licht. Mist. Mein Abblendlicht ist seit gestern wieder kaputt, die Birne ist zum 2. Mal innerhalb von 3 Wochen durchgebrannt. Wie hat er das denn gesehen? Wir schalten unser Licht ein und aus, ich mach einfach die Zusatzscheinwerfer an. Aber nein, das Licht meinte er gar nicht. Er sagt wieder irgendwas, wir lächeln. Dann holt er einen Block heraus und meint: „Straf“  Alles klar denke ich mir. Der braucht Geld für die untere goldene Kauleiste. Nicht mit uns! Wir zucken wieder mit den Schultern und sagen: „English please“ Er lacht gequält. Jetzt wird es mir zu blöd. Ich sage Roland, dass wir jetzt fahren, schaue den Polizisten an, verabschiede mich laut: „Thank you, bye bye“ starte den Motor und wir fahren weiter. Ich lass mich nicht abzocken.

Es ist inzwischen 15 Uhr, wir müssen schnellsten aus der Stadt raus und in die Wüste. Der Krater, den wir uns ansehen wollen liegt bei Derweze im Norden von Turkmenistan auf dem Weg zu unserem Grenzübergang nach Usbekistan. Der Krater, auch Tor zur Hölle genannt, ist 200m breit und 50m tief und entstand Anfang der 70er Jahre aus Versehen bei Bohrungen. Die Bohrplattform stürzte ein und um die Freisetzung des Erdgases zu verhindern, wollte man es verbrennen. Und es brennt bis heute. Das wollen wir uns ansehen und dort in der Nähe zelten, denn nachts soll der Krater besonders eindrucksvoll sein.

Es ist – mal wieder – abartig heiß. 47,5°C. Alle 50 km müssen wir anhalten, weil mir das Atmen schwer fällt und ich keine Kraft mehr habe. Ich weiß nicht mehr weiter. Was mache ich falsch? Ich fahre sogar mit offener Jacke, trinke ununterbrochen Wasser aus meinem Camelbak aber das hilft nichts. Roland das alte Kamel hat auch keinen Spass bei der Hitze aber er spürt es nicht so sehr wie ich.

Gegen 18 Uhr machen wir an einer Tankstelle Rast, ich bin entkräftet, die Beine kribbeln und die Finger krampfen. Es frustriert mich so sehr, dass ich anfange zu weinen und Roland sage, dass ich nicht mehr weiterfahren kann. Nicht mehr weiterfahren will. Es sind noch 100 km und dann kommt erst der schwierige Offroad-Track durch den Wüstensand. Ich fühle mich nicht in der Lage, das durchzustehen. Wir setzen uns in das kleine Restaurant auf eines der Sitzpodeste und bestellen Essen. Roland versucht mich zu motivieren, er weiß, es gibt keinen anderen Ausweg, als weiterzufahren. Ich dachte eher daran, dass mich einer der netten Lkw-Fahrer samt Motorrad zum Krater mitnimmt. Roland lacht und meint, ich muss das schon selber schaffen. Nach einer dreiviertel Stunde habe ich neuen Mit gefasst und geht es weiter. Ich schaffe die 100 km an einem Stück und als wir an der Abfahrt in Richtung Wüste stehen, ist die Sonne bereits untergegangen. Ich stelle mich schonmal mental darauf ein, dass wir ein Stück des Tracks im Dunkeln fahren werden. Angst habe ich keine, denn falls wir nicht mehr weiterkommen, haben wir alles dabei, was wir für eine Nacht in der Wüste brauchen: Ein Zelt, ausreichend Wasser und Benzin sowie genug zu essen.

Relativ bald kommen die ersten sandigen Passagen, die erstaunlicherweise ganz wunderbar klappen. Seitdem die Sonne weg ist, geht es mir viel besser und ich bin hoch motiviert, es bis zum Krater zu schaffen. Es geht ein Stück bergauf über eine sehr steinige Passage, dann wieder bergab mit viel Sand. Ich liege das erste Mal. Roland hilft mir auf. Immer wieder teilt sich der Track in mehrere Spuren und wir müssen mehrmals anhalten und den richtigen Weg suchen. Es ist inzwischen dunkel und ich bin mir nicht sicher, ob es besser oder schlechter ist, dass ich nicht mehr so genau sehe, auf welchem Untergrund ich mich bewege.

Auf einem steilen Stück mit tiefem Sand stürze ich wieder. Roland ist bereits fast ganz oben und etwas weiter hinter dem Hügel können wir das rötliche Licht des Kraters sehen. Wir sind uns trotzdem nicht sicher, ob wir auf dem richtigen Weg sind und laufen mit unseren Stirnlampen einmal unten am Hügel entlang und dann oben. Der Weg unten ist besser, nicht so sandig und so beschließen wir, beide Motorräder auf dem steilen Stück zu wenden und wieder runterzufahren. Was für ein Act, vor allem mein Bike steckt tief im Sand fest. Aber es war die richtige Entscheidung. 10 Minuten später fahren wir direkt auf den Krater zu. Geschafft! Ich bin erleichtert und stolz und geniesse den Anblick. Ein 200m breiter, brennender und rot glühender Krater und um ihn herum stockfinstere Nacht. Auf der anderen Seite des Kraters sehen wir kleine Lichter, es sind mehrere Taschenlampen, wir fahren dort hin und erreichen ein kleines Camp. Wir suchen uns einen Platz für unsere Zelt abseits der japanischen Reisegruppe (ja so was gibt es auch hier am Ende der Welt), quatschen kurz mit einem anderen Biker (Vincent aus Frankreich, unterwegs auf einer 1150GS) und gehen dann nochmal zum Krater, machen Fotos und hören dem Rauschen und Knistern des Feuers zu. Unzählige Sterne stehen am Himmel. Direkt über dem Krater erkenne ich den kleinen Wagen, ich drehe mich um und sehe die Milchstraße. Genauso magisch habe ich mir die Nacht in der Wüste vorgestellt.