Persepolis – die Stadt der Perser

Ich wach auf und mein Auge ist stärker zugeschwollen als gestern. Sieht doch wieder super aus, meint Roland. „Wie bitte? Setz doch bitte deine Brille auf, Baby.“ Oh ja, sagt er kurz darauf kleinlaut. Naja du hast ja ne große Sonnenbrille dabei…
Wir steigen 111 Stufen empor und betreten durch das „Tor aller Völker“ Persepolis. Zu meiner Überraschung bietet mir eine Dame eine Virtual Reality Brille an. Krasser könnten die Gegensätze nicht sein. Links 2.500 Jahre alte, 7m hohe Stier-Statuen und in meiner Hand halte ich die vermeintliche Zukunft. Ich werfe einen kurzen Blick durch die Brille. Die Auflösung könnte besser sein und die Statuen vom „Tor aller Völker“ sind bunt angemalt. So möchte ich die Geschichte der Perser nicht erleben und gebe die Brille an die nette Dame zurück.

Persepolis – altgriechisch für die Stadt der Perser – ist ein 455×300 m großer Komplex aus mehreren Tempeln, Grabstätten und Gebäuden, die unterschiedlich gut erhalten und restauriert sind. Der größte Tempel, der Apadana-Tempel, misst 12.544 m². Die Reliefs an der Treppe sind wunderbar detailgetreu gearbeitet und dank unseres Reiseführers können wir die unterschiedlichen Figuren genau erkennen: Die Baktrier mit Bechern, Schalen und Kamel, die Assyrer tragen Schale, Felle, Tücher und werden von 2 Widdern begleitet, außerdem sind Elamer, Lyder, Armenier usw. in den Stein eingearbeitet.

Drei Stunden laufen wir durch Persepolis, bevor wir unsere Bikes beladen und weiter nordöstlich Richtung Yazd fahren. Die Landschaft wird immer wüstiger, es gibt nur noch vereinzelt Grün. Dafür viel Steine und eben Sand. Hier knacken wir die 8.000 km. Was für ein Wahnsinn, dass wir diese Entfernung in knapp 4 Wochen runtergespult haben.

Mittlerweile verläuft die Straße relativ gerade und wir fahren direkt auf ein Gebirge zu, das so gut wie die gesamte Breite des Horizonts einnimmt. Es ist das Shirkuh-Gebirge, das zusammen mit dem Kahranaq-Gebirge die Stadt Yazd einrahmt. Fühlt sich an wie Innsbruck, als wir aus dem Gebirge in die Stadt eintauchen. Nur wärmer und mit Palmen.

Das erste Hostel ist leider nichts, schmutzig und zu teuer sagt Roland. Wir fahren zu einem kleinen Hotel, dem Silk Road Hotel, das mitten im Zentrum in einem der traditionellen Häuser untergebracht ist. Draußen begrüßt mich die „Veg Food“-Leuchtreklame und das Zimmer kostet nur 1,4 Mio Rial. Perfekt! Aber das eigentliche Highlight ist der riesige, überdachte Patio, der liebevoll eingerichtet ist mit einem Springbrunne, den typischen, tiefen Sitzpodesten, die mit Teppich ausgelegt sind, viel Dekor und Pflanzen. Es gibt eine Station mit mehreren Sorten Tee, Kamel-Gulasch zum Abendessen und man hört orientalische Musik. Hier bleiben wir zwei Nächte.

Über die Berge Richtung Persepolis

Roland hat mir für die Fahrt nach Persepolis zwei Routen zur Auswahl gegeben: Ausschließlich Schnellstraße oder einen Teil über die Berge. Ich entscheide mich für die Bergroute, auch wenn das Routenplanungsprogramm „Basecamp“ 12 Stunden Fahrtzeit berechnet hat.

Nach der kleinen Ortschaft Abadeh verlassen wir die Straße 65 und biegen ab in die Berge. Zunächst fahren wir auf Asphalt eine wunderschöne Serpentinenstraße entlang, dann wird aus der Straße eine Schotterpiste und schließlich geht es querfeldein auf staubigen Offroadpisten. Wir verfahren uns einmal, die Abzweigung in den kleinen Feldweg war einfach zu leicht zu übersehen. Es geht bis auf 2.650 Meter und ist angenehm „kühl“, es hat gerade mal 27°C. Nach einigen Kilometern querfeldein finden wir wieder zurück auf eine asphaltierte Straße. Ich mache kurz das Visier auf, um tief durchzuatmen. Großer Fehler. Auf einmal spüre ich einen stechenden Schmerz im rechten Auge, der innerhalb von Sekunden so stark wird, dass ich sofort anhalten muss. Ich schreie laut Stopp und ein paar Mal Aua und halte auf dem Schotter neben der Straße an. Vor lauter Schmerz und Hektik fällt das Bike. Verdammt. Roland eilt zu mir, wir heben Zicki auf und ich schreie weiter Aua, reiße mir dabei den Helm vom Kopf und die Brille runter, schaue in den Seitenspiegel und sehe etwas gestreiftes in meinen Wimpern hängen. Ich habe eine Biene im Auge. Es brennt wie Feuer. Mir schießen die Tränen ins Auge und laufen weiter über meine Wange.

Vor uns auf dem Seitenstreifen hält ein Auto, der Fahrer rennt zu uns, sieht mich an und sagt irgendwas von Honey. Dann nimmt er meinen Kopf, öffnet vorsichtig mein rechtes Auge mit seiner Hand und zieht die Reste der verdammten iranischen Honigbiene aus meinem Auge. Roland reicht ihm Wasser und der Iraner schüttet es mir vorsichtig ins Gesicht, um mein Auge auszuspülen. Ich versuche mich zusammen zu reißen, schreie nicht mehr so laut Aua, aber es tut echt weh. Immer mehr Leute versammeln sich um uns. In der Nähe ist eine kleine Nomaden-Siedlung, ganz typisch für diese Gegend und jeder möchte sich anscheinend das Theater der europäischen Touristen ansehen. Der junge Iraner bedeutet mir, ich soll mein Auge weiter ausspülen und macht Zeichen für eine Infusion in den Arm, kratzt sich symbolisch und sagt „red“. Er denkt, ich bin allergisch. Bisher war ich es nicht und ich denke, dass bei jedem das Auge anschwillt, wenn eine Biene zusticht. Ich sehe mittlerweile aus wie Klitschko in der 10. Runde. Aber wie bei Klitschko ist der Gegner viel schlimmer dran – und mein Gegner, die Biene, musste sogar ihr Leben lassen. Selber schuld, denke ich mir.

Der Iraner ist Imker, welche Ironie und er möchte, dass wir mit zu ihm nach Hause kommen. Er wohnt 2 km entfernt. Dort könnten wir auch schlafen. Wir möchten heute aber noch nach Persepolis, lehnen daher ab und bedanken uns mehrfach für seine Hilfsbereitschaft. Er gibt Roland noch Anweisungen, im nächsten Ort Limetten zu kaufen und mir eine Limonade davon zu machen. Das würde helfen. Ich setze den Helm unter Schmerzen wieder auf und wir fahren weiter.

Zwei Stunden später erreichen wir die alte Ruinenstadt Persepolis. Wir fahren spontan zum Hotel direkt an der Stätte auch wenn es uns auf den ersten Blick viel zu teuer erscheint. Dabei bekommen wir ein wunderschönes Zimmer mit Blick auf die Ruinen, für 25€ inklusive Frühstück. Mein Auge brennt nach wie vor und die Schwellung ist größer geworden. Drei Anläufe brauche ich, um den Helm abzusetzen, weil der Druck auf das Auge so sehr schmerzt. Ich setze mich erschöpft im Garten an einen Tisch und bestelle eine Limonade. Der Kellner bringt mir ein Getränk aus frisch gepresstem Limettensaft mit Wasser. Ich muss an den iranischen Imker denken und schmunzeln.

Sightseeing in Esfahan

Wir sitzen um 9.10 auf den Bikes – unsere persönliche Bestzeit bisher. Für den Vormittag haben wir uns ein paar Hotspots rund um Esfahan ausgesucht: Eine Moschee von 1325, Taubentürme und eine Karawanserei aus dem 16. Jahrhundert sowie Sanddünen – insgesamt eine Ausfahrt von knapp 300 km.

Es ist diesig, was dieses Mal nicht am Smog wie in Kermanshah liegt sondern am Sand, den der Wind durch die Luft wirbelt. Hin und wieder sehen wir kleine Sandstürme über die Felder huschen, sich zu einem Mini-Tornado auftürmen und kurz darauf wieder auflösen.

Die Moschee kann man leider nicht besichtigen, also machen wir Fotos von der Straße aus. In die Karawanserei allerdings können wir mit unseren Offroad Bikes direkt hineinfahren – wir haben uns vorher versichert, dass außer uns niemand hier ist. Wir parken unsere Bikes dort, wo vor mehreren hundert Jahren Reisende der Seidenstraße Unterschlupf fanden und ihre Tiere versorgt haben. Da wir alleine sind, erlaube ich mir Kopftuch und Jacke abzunehmen und wir machen ein paar Fotos.

Auf der Weiterfahrt überqueren wir das ausgetrocknete Flussbecken des Zayandehrud, das ist der gleiche Fluss der auch durch Esfahan fließt – wenn er Wasser hat. Wir biegen von der Straße ab und fahren eine unbefestigte Straße entlang zu den Taubentürmen. Wie der Name schon sagt, nisteten hier früher Tauben und die Perser haben deren Kot als Dünger und für die Lederbearbeitung verwendet. Ein kurzes Foto, dann fahren wir weiter zu den Sanddünen.

Und jetzt beginnt der Wahnsinn. Sand und ich waren noch nie Freunde. Während Roland mit der nineT durch die Düne pflügt und offensichtlich großen Spaß hat, kämpfe ich mich fluchend Stück für Stück durch den Sand. Und falle mehrmals. In der Theorie weiß ich wie man im Sand fährt, aber in der Praxis klappt das bei mir nie. Das Bike macht was es will, schwimmt hin und her, der Lenker ist längst außer Kontrolle und ich laufe mit beiden Füßen mit. Lediglich das Eingraben funktioniert prima.
Wir lassen die Bikes stehen und laufen eine Düne nach oben. Es ist heiß und immer wieder weht ein kräftiger Wind, der mir den Sand ins Gesicht weht. Genauso habe ich mir die Reise entlang der Seidenstraße vorgestellt.

Den Rückweg fahren wir in einem Zug und sind nachmittags wieder im Hotel. Wir ziehen uns um und gehen auf den Imam-Platz, der 1602 entstand und zum UNESCO Weltkulturerbe gehört. Der Platz misst 510×160 Meter und nur der Tiananmen Platz in Peking ist größer. Zuerst besichtigen wir den Basar und ich habe große Mühen, Roland davon abzuhalten, irgendwas aus Kupfer zu kaufen. „Einen Schöpflöffel haben wir ja nicht dabei“ meint Roland. Ich sage NEIN, auch zum Milchkännchen und zur Tasse.

Wir genehmigen uns ein Eis, sitzen auf einer Bank im Schatten und lesen aus dem Reiseführer. Den Eingang des Basars ziert unter anderem das Symbol der Stadt Isfahan: Das Tierkreiszeichen Schütze, eingearbeitet als Fliesenmosaik. Roland und ich sind Schütze und so bilden wir uns ein bisschen was darauf ein, dass unser Sternzeichen rechts und links über dem Portal zu sehen ist.

Die Imam-Moschee am südlichen Ende gefällt uns besonders gut. Die Mosaike sind wunderschön und sehr gut erhalten. Beeindruckend ist die 54m hohe Gebetshalle mit der riesen Kuppel und einer großartigen Akustik. Sagt man was direkt mittig unter der Kuppel, wird die Stimme im Echo verstärkt aber außerhalb der Kuppel hört man nichts.

Um 20 Uhr sind wir wieder im Hotel und bereiten die nächsten Tage vor. Unter anderem versuchen wir, für Rolands nineT einen Hinterreifen zu organisieren – entweder noch im Iran, z.B. Teheran oder Usbekistan. Mehr als 4.000km macht der Reifen nämlich nicht mehr mit…

Fahrt nach Esfahan

Oha… der Tag fehlt ja noch. Bis auf die Rekordkilometer, nämlich 483 in exakt 8 Stunden, gibt es fast nichts zu berichten. Außer dass wir ein tolles Hotel direkt an einer der historischen Brücken von Esfahan bekommen haben. Zu einem Spitzenpreis von 2.4 Mio Rial, also keine 30€/Nacht.